"Österreich" sieht sich entlastet, die Vorwürfe gegen sein Haus hätten sich "in Luft aufgelöst", so Wolfgang Fellner.

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Wien – Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wie auch die Mediengruppe "Österreich" sehen sich durch die Aussagen der Meinungsforscherin B. in der Inseraten-Causa vollumfänglich entlastet. Das erklärte die Anwaltskanzlei von Kurz gegenüber der APA. "Österreich"-Medienmanager Wolfgang Fellner sah die Vorwürfe gegen sein Haus "in Luft aufgelöst". Für FPÖ und Neos ist dagegen das (wie es die FPÖ nannte) "schwarz-türkise Selbstdienungs-System auf Kosten der Bürger" belegt.

Man habe als Rechtsvertretung Einsicht in die Akten und in das gesamte Protokoll der Einvernahme erhalten. erklärte Kurz' Anwaltskanzlei Suppan in einer Aussendung – und strich die Aussage der Meinungsforscherin hervor, sie habe Kurz "persönlich einmal im Vorbeigehen gesehen, ansonsten nie. Gar nie. Kein einziges mal. Ich habe keine Telefonnummer, ich habe gar nichts, ich kenne den aus dem Fernsehen."

Daraus gehe "eindeutig hervor, dass Sebastian Kurz vollumfänglich entlastet wird und keinerlei Involvierung in irgendeiner Form in dieser strafrechtlichen Causa gegeben ist", befand die Anwaltskanzlei. Und Kurz wird in der Aussendung mit den Worten zitiert: "Ich bin froh, dass die Vorwürfe gegen mich damit in sich zusammenbrechen. Ich habe immer betont, dass sich die Vorwürfe als falsche erweisen werden, und das ist nun geschehen." Darüber hinaus gehe aus der Aussage von B. hervor, dass auch weitere in den vergangenen Wochen erhobenen Vorwürfe "haltlos" seien. So werde der ehemalige enge Mitstreiter von Kurz, Stefan Steiner, ebenfalls entlastet, denn B. gab an, dass ihr dieser bis zum Tag der Hausdurchsuchung "nicht einmal namentlich bekannt war", betonte die Kanzlei Suppan.

Fellner: "Vorwürfe haben sich in Luft aufgelöst"

"Österreich"-Manager Fellner sagte gegenüber der APA, er sehe die Aussage von B."wirklich als großflächige Entlastung von 'Österreich'". "Wir sehen, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in sich zusammengebrochen sind". B. habe klargestellt, dass die Fragen des Finanzministeriums und die in "Österreich" erschienen politischen Umfragen "nichts miteinander zu tun haben". "Die Vorwürfe haben sich in Luft aufgelöst", so Fellner.

B. habe "klar ausgesagt", dass sie – "ohne das 'Österreich' mitzuteilen" – "das als Mehr-Themen-Umfrage gesehen hat" und andere Umfragen im Stil einer "branchenüblichen Omnibus-Umfrage" angehängt habe. Die Fragen, die seitens des Finanzministeriums an B. übermittelt wurden, habe diese als eigene Fragen angehängt. "Diese Zusatzumfragen wurden nachher ans BMF geschickt und offenbar teilweise vom Finanzministerium frisiert", so Fellner.

B. sage "in aller Deutlichkeit, dass die Politik-Umfragen von 'Österreich' nie an das Finanzministerium weitergegeben wurden". Die Fragen der von der Zeitung beauftragten Umfragen seien immer von "Österreich" gekommen, betonte Fellner – und sie seien immer 1:1 so verwendet worden. Auch seien die Ergebnisse nicht an Thomas Schmid oder Johannes Frischmann übermittelt worden.

Fellner erwartet Einstellung des Verfahrens gegen "Österreich"

"Das ist eine hundertprozentige Entlastung", so Fellner. Auch betonte er, dass B. ausgesagt hat, dass seitens "Österreich" alle Umfragen selbst bezahlt wurden – "und auch, dass sie von einem angeblichen Deal hinsichtlich Inseraten nichts weiß". Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, dass die Politik-Umfragen von "Österreich" manipulativ dargestellt worden seien, sind für Fellner damit "schlicht und einfach zusammengebrochen". Er erwartet daher, dass das Verfahren gegen "Österreich" eingestellt wird. "Wenn sich schon Sebastian Kurz entlastet fühlt, so sind wir 100 Prozent entlastet", so Fellner.

Auch der Rechtsanwalt von Johannes Frischmann nahm in einer Aussendung Stellung. Sein Mandant sei "zu keiner Zeit in ein illegales Konstrukt aus Umfragen und Inseraten involviert" gewesen, teilte Karl Schön mit. Es sei dessen "Tagesgeschäft" als Pressesprecher des Finanzministers und später auch im Kanzleramt gewesen, "mit Journalisten, Meinungsbildnern, Kommentatoren und Meinungsforschern Kontakt zu pflegen" und mit diesen "Informationen über die Arbeit der Regierung, aktuelle Projekte und Vorhaben sowie das politische Geschehen auszutauschen und auf die Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung einzuwirken". Dies sei auch bei Meinungsforscherin B. der Fall gewesen.

Provision an Karmasin

Der Anwalt von Karmasin, Norbert Wess, bestreitet laut Ö1-"Mittagsjournal" eine Beteiligung seiner Mandatin am zentralen Vorwurf der Untreue durch Verwendung von Steuergeld für die ÖVP. Karmasin habe nicht gewusst, dass die Umfragen mit dem Finanzministerium verrechnet worden seien. Dass die damalige ÖVP-Familienministerin 20 Prozent Provision für die Vermittlung bekommen habe, bestätigte Wess – er vermute aber, dass dies nicht strafbar sei.

Der Anwalt des ehemaligen Leiters der Öffentlichkeitsarbeit im Finanzministerium, Johannes Pasquali, trat ebenfalls Vorwürfen gegen seinen Mandanten entgegen: Dieser habe keine Kenntnisse über allfällige sachfremde Vereinbarungen gehabt, sagte er laut "Mittagsjournal".

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner sah mit dem Einvernahmeprotokoll "die Absurdität als auch die Substanzlosigkeit aller Vorwürfe, mit denen der ehemalige Bundeskanzler konfrontiert war" belegt. Sie erachtet eine Entschuldigung der Opposition für angebracht, die dem Altkanzler "monatelang die Unschuldsvermutung verweigert" habe – und zudem eine "rasche und vollumfängliche" Prüfung der "Vorwürfe, die nun gegen die SPÖ bestehen".

Deutsch sieht "Ablenkungsmanöver"

Anders interpretierte freilich die Opposition die Aussagen von B. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht darin eine "umfassende und schwerwiegende Bestätigung der Vorwürfe gegen das System Kurz im Zusammenhang mit missbräuchlicher Verwendung von Steuergeld für das von Kurz und seinem engsten Umfeld betriebene 'Projekt Ballhausplatz'". Einen "Freispruch" für Kurz erkennt Deutsch nicht, denn Kurz sei Nutznießer "dieser Machenschaften" gewesen. Die von der ÖVP hervorgehobenen Aussagen zur SPÖ nennt Deutsch in einer Aussendung ein neuerliches "Ablenkungsmanöver". Ihm lägen diesbezüglich weder Informationen noch Hinweise vor.

Die FPÖ erachtet das "schwarz-türkise Selbstbedienungs-System auf Kosten der Bürger" als bestätigt – auch wenn sich B. "sichtlich bemüht hat, das Spitzenpersonal der ÖVP in ihrer Aussage zu schonen". Schwer belastet worden sei Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin – die die Studienaufträge vermittelt und dafür 20 Prozent Umsatzprovision erhalten haben soll. Sie sollte "die auf mutmaßlich illegale Weise erwirtschafteten Einnahmen umgehend zurückzahlen", meinte Christian Hafenecker, der FPÖ-Fraktionsvorsitzende im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, in einer Aussendung. Auch für Thomas Schmid und Johannes Frischmann seien die Aussagen von B. "alles andere als entlastend".

Die Medienberichte über das Geständnis von B. "zeigen die nie zuvor dagewesene Dreistigkeit, mit der sich die türkise Familie an der Republik bedient und bereichert hat", kommentierte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper die Sache. Im Hintergrund stehe ein System, das das politische Leben in Österreich seit Jahrzehnten dominiere – nämlich dass sich "ÖVP und SPÖ in den Jahrzehnten der Großen Koalition das Land aufgeteilt haben – ungeniert und unkontrolliert". Seit 2017 habe die ÖVP dann ein "Best Of" der Korruption "mit blauer und grüner Mithilfe" gespielt. Zu hinterfragen sind für Krisper auch die von B. angesprochenen "möglichen Werkzeuge der Medienkorruption seitens der SPÖ".

VdMI distanziert sich von B. und auch von Sophie Karmasin

Für den Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) war die Veröffentlichung des Einvernahmeprotokolls Anlass, sich neuerlich sowohl von B. als auch von Sophie Karmasin zu distanzieren. Beide seien nie Mitglied im VdMI mit seinen "strengen und verbindlichen" Qualitätskriterien gewesen. Dieser "mutmaßliche Kriminalfall" sei "in seiner Dimension und Tragweite schockierend", hoffte der Branchenverband in einer Stellungnahme auf eine "rasche und lückenlose Aufklärung" – und beteuerte einmal mehr, dass innerhalb der führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitute "sauber und hochwertig" gearbeitet werde. (APA, 25.2.2022)