Polizist bei der Razzia im Lokal in Ternitz.

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Das Video sorgte Anfang dieses Jahres für Schlagzeilen: Darin ist von Sprengstoffgürteln, einem Militärputsch und gemeinsamen Aktionen die Rede. Aufgenommen wurde es bei einer gemeinsamen Feier von Verschwörungsideologen und Rechtsextremen in Wien. Mit dabei war der bekannteste Neonazi Österreichs, Gottfried Küssel, und der Verschwörungsideologe Manuel Mittas. "Das nächste Jahr wird nicht lustig werden, liebe Freunde", sagte Mittas in die Kamera. Das Jahr 2022 werde nicht "easy-cheesy" mit "Zweimal-um-den-Ring-Spazieren und so Blödheiten". Eine Anspielung auf die sogenannten Corona-Demos. Zusammen mit Küssel kündigte Mittas an, dass man "etwas gemeinsam machen" werde.

Staatsschutz und Abwehramt

"Wir wissen noch nicht genau, was wir machen, aber wir ziehen es durch", sagt Küssel in die Kamera. Mit dabei war auch die bekannte Verschwörungserzählerin Monika Donner, die bis März 2021 für das Verteidigungsministerium arbeitete. Deshalb rief das Video nicht nur den Staatsschutz, sondern auch das Abwehramt des Bundesheeres auf den Plan. Als eine Reaktion darauf führten Beamte des Verfassungsschutzes sogenannte Gefährderansprachen bei bekannten Aktivisten und Aktivistinnen der Corona-Proteste durch. Einerseits sollen diese Ansprachen den "Gefährdern" klarmachen, dass sie unter Beobachtung stehen, andererseits werden sie über ihre Kontakte ins rechtsextreme Milieu befragt. Ein Mann schrieb auf seinem Telegram-Kanal recht offen darüber, dass er vom Verfassungsschutz befragt wurde, ob er in Kontakt mit Küssel oder anderen Rechtsextremen stehe. Die Ansprachen wurden von Omar Haijawi-Pirchner, dem Chef der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), bestätigt.

Seitens der DSN heißt es, dass Gefährderansprachen zur "Prävention vor verfassungsgefährdenden Angriffen durch Belehrung potenzieller Gefährder" dienen. Auf die Frage, welche Auswirkungen eine Einstufung als Gefährder hat, heißt es lapidar, dass "ein Nichtnachkommen einer Gefährderansprache eine Verwaltungsübertretung darstellt, weitere Auswirkungen sieht das Gesetz nicht vor".

Mittas begleitet die Corona-Demos und veröffentlicht Videos auf seinem Youtube-Kanal. Er hat Küssel interviewt und mit ihm gemeinsam an einem Autocorso in Wien teilgenommen.

Erst Eisenstadt, dann Ternitz

Küssel tritt seit Monaten als Aktivist der "Corona-Querfront" in Erscheinung, mit der er Corona-Demos in Eisenstadt durchführte. Bei diesen Kundgebungen tauchen weitere Personen aus der Neonazi-Szene auf, die dann mit sogenannten normalen Bürgern durch die Stadt ziehen. Küssel ist seit Jahrzehnten eine zentrale Person der Szene. Klar ist, dass er die Corona-Proteste nutzte, um neue Personen für die rechtsradikale Szene zu rekrutieren. War er bisher in Wien und dem Burgenland aktiv, gab es zuletzt Aufregung um Polizeirazzien im niederösterreichischen Ternitz (Bezirk Neunkirchen). Dort musste ein Wirt sein Lokal schließen, nachdem er sich permanent geweigert hatte, die Maßnahmen zu kontrollieren und die diesbezüglichen Strafen zu zahlen. Geschlossen war das Lokal, in dessen Namen in der Gaststube gleich zwei SS-Runen prangen, aber nur offiziell.

Im Ternitzer Lokal ohne Betriebsstättengenehmigung feierten Impfgegner und Neonazis wie Küssel und seine Anhänger (o. li.).
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Tatsächlich wurde es zur Hochburg von Impfgegnern und Rechtsextremen, auch Küssel wurde Gast.

Aufruhr in der Gaststube

Bei einer Razzia im Februar zeigte die Polizei an nur einem Tag 64 Gäste an. Bürgermeister Rupert Dworak (SPÖ) wurde zudem bedroht und schrieb einen offenen Brief an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der Hilfe zusicherte.

"Ich habe das nicht nur für mich und meine Familie getan", sagt Dworak dem STANDARD am Freitag, "es waren viele Leute in Ternitz besorgt, wir hatten früher nie ein Problem mit Rechtsextremen und brauchen die hier nicht." Dworak ist sich sicher, dass erst auf Corona-Demos Kontakte zu Rechtsextremen geknüpft wurden. Verfassungsschutz und Polizei stehen ihm jetzt beratend zur Seite. Seit einigen Tagen sei es ruhiger geworden in Ternitz.

(Colette M. Schmidt, Markus Sulzbacher, 26.2.2022)