Bei geringer Flexibilität denkt die Hälfte der Beschäftigten über einen Jobwechsel nach.

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Die Pandemie hat die Arbeitswelt in vielen Bereichen stark verändert. Dies bestätigt eine aktuelle Studie des Karrierenetzwerks Linkedin, wonach beinahe drei Viertel der heimischen Unternehmen Regelungen zur Flexibilisierung umgesetzt haben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Personalverantwortliche empfinden diese Entwicklungen großteils als positiv und wünschen sich auch für die Zukunft eine Fortsetzung des Trends.

Demnach hob mehr als ein Drittel von rund 1.000 befragten Beschäftigten (37 Prozent) eine bessere Work-Life-Balance durch mehr Flexibilität hervor. Jede und jeder Dritte berichtet von einer höheren Produktivität und 29 Prozent beobachteten laut eigenen Angaben eine Verbesserung ihre mentalen Gesundheit. Seitens der 250 befragten Personalverantwortlichen gehen 60 Prozent davon aus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Betrieb mit den bestehenden Vorgaben zufrieden sind. Mehr als ein Viertel hob hervor, durch die Flexibilisierung eine Produktivitätssteigerung (26 Prozent) bzw. eine Verbesserung der mentalen Gesundheit (27 Prozent) wahrgenommen zu haben.

"Unternehmen müssen den Wunsch nach mehr Flexibilität ernst nehmen, wenn sie sich im Wettbewerb behaupten wollen", sagt Barbara Wittmann, Country-Managerin bei Linkedin DACH. Denn bei geringer Flexibilität denkt die Hälfte der Beschäftigten über einen Jobwechsel nach. Rund ein Viertel gab an, aufgrund fehlender Flexibilisierungsmaßnahmen bereits gekündigt zu haben.

Flexible Modelle

Unterschiede gibt es allerdings zwischen den Geschlechtern. Vor allem Frauen empfinden die flexiblen Modelle als hilfreich, besonders mit Blick auf Gleitzeit (74 Prozent), Teilzeit (64 Prozent), oder eine Viertagewoche (73 Prozent). Auch Männer begrüßen diese Modelle, deren Begeisterung bleibt aber hinter jener von Frauen zurück. So befürworten 71 Prozent der Teilnehmer Gleitzeit, nur 47 Prozent aber Teilzeit. Die Viertagewoche wird von 67 Prozent der männlichen Befragten als positiv empfunden.

Nur rund ein Viertel der Befragten assoziiert laut der Umfrage mit flexiblen Modellen auch eine längere Karrierepause. Berufliche Auszeiten sind in den Augen vieler immer noch mit einem Stigma behaftet (48 Prozent), und viele Befragte fürchten, Personalverantwortliche finden Kandidatinnen und Bewerber mit Karrierepause weniger attraktiv (49 Prozent).

Negative Folgen

Obwohl sich Frauen häufiger Möglichkeiten zu flexiblem Arbeiten wünschen, haben sie gleichzeitig die größeren Sorgen davor. Dies zeigt sich vor allem beim Wiedereinstieg in den Job nach einer beruflichen Auszeit. Weibliche Befragte befürchten weitaus häufiger schwierige oder unangenehme Fragen in Bewerbungsgesprächen (31 vs. 16 Prozent) und haben Angst, ihre zuvor erlernten beruflichen Fähigkeiten verloren zu haben (26 vs. 17 Prozent) sowie ihre Work-Life-Balance komplett neu ausrichten zu müssen (31 vs. 21 Prozent).

56 Prozent der Personalverantwortlichen, die in der Linkedin-Umfrage befragt wurden, denken, dass mehr Flexibilität im Berufsalltag dazu führt, dass Frauen häufiger von zu Hause aus arbeiten werden, während Männer vermehrt ins Büro gehen. Die Folgen könnten in den Augen der Personalverantwortlichen schwerwiegend sein: Eingeschränkte Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (28 Prozent), Schwierigkeiten, das Vertrauen und den Respekt ihres Teams zu gewinnen (26 Prozent), sowie negative Auswirkungen auf ihre Motivation und Zufriedenheit (26 Prozent). Rund ein Viertel gibt zudem an, dass diese Frauen infolgedessen ganz aus dem Berufsleben ausscheiden könnten.

Schubkraft statt Stigma

Entgegen allen Zweifeln und Sorgen überwiegen hingegen die positiven Erfahrungen von Beschäftigten, die bereits eine berufliche Auszeit eingelegt haben: Sie konnten dadurch ihr Wohlbefinden steigern (67 Prozent), ihren weiteren Lebensweg sowie persönliche Ziele besser planen (67 Prozent) und neue Hard Skills und Soft Skills erlernen. Besonders bei Themen wie Geduld, Selbstbewusstsein, Kreativität und Zeitmanagement sowie Problemlösungskompetenz gab ihnen die Auszeit einen Schub, den 72 Prozent von ihnen auch für ihre Arbeitgeber als wertvoll einstufen.

Es sei daher Zeit für ein Umdenken, sagt Wittmann: "Offenheit auf allen Seiten für flexibles Arbeiten und berufliche Pausen stellt einen wichtigen Schritt hin zu mehr Chancengleichheit dar. Nur wenn auch Männer flexible Arbeitsmodelle in allen Facetten nutzen und dadurch die derzeit vorherrschende Doppelbelastung der Frauen reduzieren, entsteht das Fundament für eine Arbeitswelt, die auch für Frauen gut funktioniert." (red, 25.4.2022)