Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat offenbar ins Schwarze getroffen: Bei ihren Einvernahmen legte die Meinungsforscherin Sabine B. ein Geständnis ab und bestätigte viele Verdachtsmomente der Ermittler. Daraus lassen sich einige Lehren ziehen:

Erstens hat die ÖVP ein Korruptionsproblem, auch wenn Parteichef Karl Nehammer das negiert. Sie hat eines im strafrechtlichen Sinn des Wortes, aber vor allem eines in seiner politischen Bedeutung. Dass eine aktive Ministerin, nämlich Sophie Karmasin, Vermittlungsprovision für Aufträge aus anderen Ministerien verlangt haben soll, ist kaum zu fassen. Auch die Leichtigkeit, mit der von der Gruppe um Kurz die öffentliche Meinung manipuliert wurde, ist schauderhaft.

Offenbar gab es keine Skrupel, Steuergeld für parteipolitische Zwecke zu nutzen – und zwar nicht nur im leider traditionellen Sinn, um den eigenen Minister oder die eigene Ministerin parteipolitisch in Szene zu setzen. Sondern auch durch ein Netzwerk quer durch mehrere Ministerien, um zuerst in der eigenen Partei zu putschen und dann im Wahlkampf mit teils manipulierten Umfragen Stimmung zu machen.

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Ex-Kanzler Kurz ist nur ein bisschen aus dem Schneider.
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Zweitens ist Kurz nur ein bisschen aus dem Schneider: Zwar belastet ihn Sabine B. in ihrer Einvernahme gar nicht. Dass er als Außenminister oder Kanzler direkt mit der Demoskopin Absprachen getroffen hat, glaubte aber nicht einmal seine schärfste Gegnerschaft. Das ganze Modell war darauf angelegt, Kurz zu pushen, deshalb muss die Staatsanwaltschaft prüfen, wie viel er davon wusste – und das läuft noch. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, natürlich kann es sein, dass die Personen rund um Kurz aus eigener Initiative gehandelt haben.

Demokratiepolitisch bedenklich

Drittens ist die Lage trist, denn B. deutet an, dass auch die SPÖ und die Gratiszeitung "Heute" einst ein Modell der Meinungsmanipulation durch Umfragen am Laufen gehabt haben sollen. Ob dafür auch Steuergeld missbraucht wurde, weiß B. nicht; das müssen die Ermittler prüfen. Insgesamt zeigt sich: Die symbiotische Beziehung zwischen Boulevard und Großparteien sorgt immer wieder für demokratiepolitisch bedenkliche Resultate, selbst wenn das Strafrecht nicht betroffen ist.

Viertens gibt es im Finanzministerium viel aufzuarbeiten, denn dieses System hätte dort irgendjemandem auffallen müssen. Jahrelang rechnete B. falsch ab, insgesamt über 600.000 Euro, und zwar für Studien, deren Inhalte teils gar nichts mit dem Finanzressort zu tun hatten. Ein Informationsfreiheitsgesetz könnte solche Mechanismen verhindern, weil man dann immerhin nachfragen könnte, warum das Ministerium so merkwürdige Studien mit klarem ÖVP-Spin in Auftrag gibt.

Fünftens, und das ist die gute Nachricht am Schluss: Es gibt Hoffnung, weil die Aufklärung funktioniert. Die WKStA kann arbeiten und liefert Ergebnisse; Medien berichten groß und verständlich über die Vorwürfe. Mit Blick auf die vielen fragwürdigen Dinge, die der Untersuchung harren, lässt sich nur eines sagen: Möge der U-Ausschuss beginnen! (Fabian Schmid, 25.2.2022)