Das Landschaftsbild spielt in Genehmigungsverfahren immer noch eine entscheidende Rolle, langfristige Aspekte wie der Klimaschutz kommen zu kurz.

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Die Eindämmung des Klimawandels ist wohl die größte Herausforderung für die kommenden Generationen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei den erneuerbaren Energieträgern (Wind, Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse) zu. Dementsprechend hat sich die amtierende Koalition in ihrem Regierungsprogramm zum Ausbau aller Formen heimischer erneuerbarer Energieträger bekannt.

Nach dem erst unlängst in Kraft getretenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz soll bis 2030 die österreichische Stromversorgung national bilanziell auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen umgestellt werden. Dafür muss die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mengenwirksam um 27 TWh gesteigert werden. Zudem soll Österreich bereits im Jahr 2040 – und damit zehn Jahre früher als im Green Deal der EU vorgesehen – klimaneutral sein.

Ambitioniertes Ziel

Angesichts dieser ambitionierten Zielsetzungen würde man annehmen, der Ausbau der Erneuerbaren erfahre in Österreich Rückenwind. Die Realität zeichnet aber ein anderes Bild. Tatsache ist, dass sich die Verfahren zur Genehmigung der Erneuerbaren häufig über Jahre hinziehen. Hält der Projektwerber die Genehmigung dann in Händen, besteht weiterhin Rechtsunsicherheit, führt die Aarhus-Konvention aufgrund fehlender bzw. mangelhafter Umsetzung in Österreich doch oftmals zu einer Wiederaufrollung von Verfahren auch Jahre nach erteilter Genehmigung.

Nun gibt es zahlreiche Bemühungen zur Beschleunigung der Umweltverfahren (dass das Standortentwicklungsgesetz nichts beitragen konnte, ist mangels Anwendungsfall evident). Aktuell ist wieder die Novellierung des UVP-G in aller Munde. Das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren soll rascher, unbürokratischer und effizienter ausgestaltet werden. Die Anstrengungen beziehen sich dabei auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Ein großes Hindernis wird dabei übersehen: der verkannte Naturschutz.

Naturschutz als Hindernis für den Klimaschutz? Das mag auf den ersten Blick absurd klingen. Man möchte meinen, Natur- und Klimaschutz gehen Hand in Hand. Dem ist aber nicht so. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen setzen einen sehr engen naturschutzrechtlichen Rahmen, der eine Berücksichtigung von langfristigen Aspekten wie dem Klimaschutz kaum zulässt.

Green-green-Dilemma

Als grundlegendes Problem dieses Green-green-Dilemmas lässt sich der dem Naturschutzrecht immanente Grundgedanke ausmachen, den Status quo zu bewahren und den gegenwärtigen Naturzustand gleichsam zu konservieren. Dies mag aus dem Blickwinkel der 1970er- und 1980er-Jahre, in denen das Umweltbewusstsein geweckt wurde, richtig gewesen sein. Im Lichte des Klimawandels kann diese Prämisse aber nicht mehr gelten. Durch den globalen Klimawandel ist unsere Natur ständigen Wandlungen unterworfen. Wir bemerken das nicht nur an Naturkatastrophen, sondern etwa auch an der sich ändernden Vegetation oder der temperaturbedingten steigenden Waldgrenze in unseren Bergen. Damit verschwinden ganze Lebensräume für bestimmte Arten. Wie sinnvoll ist es nun, einen Lebensraum zu schützen, der in ein paar Jahren verschwinden wird? Wäre es nicht besser, langfristig geeignete Bereiche zu suchen und zu schützen?

Dazu kommt, dass häufig nur der unmittelbar betroffene Raum betrachtet wird. Es wird aber notwendig werden, in größeren Dimensionen zu denken. Das Klima kennt keine Grenzen. Warum müssen also die ausgleichenden Maßnahmen im räumlichen Zusammenhang stehen, wenn mit Blick auf den Klimawandel das langfristige Überleben einer Spezies an anderen Orten weitaus besser gesichert ist? Warum soll es zudem nicht möglich sein, für Eingriffe bereits vorab geschaffene Ausgleichsflächen für bestimmte Tiere oder Pflanzen im Verfahren einzutauschen? Dadurch werden Anreize für die vorzeitige Umsetzung von positiven Maßnahmen an dafür geeigneten Orten geschaffen.

Neues Landschaftsbild

Ferner werden wir uns von der subjektiven und nur schwer greifbaren Diskussion um das Landschaftsbild, den Erholungswert et cetera in der aktuellen Form verabschieden müssen. Natürlich ist eine unberührte Landschaft schützenswert. Steigt die Temperatur weiterhin so an wie bisher, werden wir aber kein Landschaftsbild mehr haben, wie wir es jetzt kennen. Das Verständnis, dass Windenergieanlagen, Photovoltaikanlagen und so weiter in jedem Fall die Landschaft verschandeln, mag aktuell noch in den Köpfen verankert sein, die nächste Generation wächst aber bereits mit einem ganz anderen Bewusstsein auf.

Schließlich sollten wir aufhören, Zeit und Energie in die Auslegung der in die Jahre gekommenen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie zu stecken, die auch auf die Umsetzung von den Erneuerbaren große Auswirkungen haben. Erwähnt seien die vielzitierten Feldhamster-Urteile oder der judizierte Schutz des gewöhnlichen Hausspatzes. Wir legen uns hier selbst ein Korsett an, das die Umsetzung wichtiger und notwendiger Maßnahmen unmöglich macht. Eine Novellierung im Sinne des Klimaschutzes ist deshalb unumgänglich.

Es wird somit eines Umdenkens im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit sowie neuer Zielsetzungen bedürfen, sowohl für die Normgeber auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Der Klimaschutz wird unabdingbar ein großes, wenn nicht das größte öffentliche Interesse darstellen müssen. Lassen wir endlich ganzheitliche und langfristige Lösungsansätze zu. Gehen wir daher gemeinsam neue Wege und vereinen Natur- und Klimaschutz, zum Wohle kommender Generationen. Denn alles ist machbar. (Tatjana Katalan, 28.2.2022)