Winz-Hütte mit geilen Weinen, bemerkenswert doofem Namen und kleinen Speisen, die es in sich haben: das neue Loup-Garou.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Gilles Reuter und Gianni Ciaccia sind Luxemburger in Wien und schauen mit Partner Reinhard Pacejka schon seit Jahren darauf, dass die Stadt am Ostrand Mitteleuropas hie und da auch ein bisserl Westalkohol eingeflößt bekommt. Ihre Cocktailbar Parfümerie (ja, bescheuerter Name) steht für fortgeschrittene Mixologie, die Kaffeebar Wolfgang (von den Betreibern proaktiv mit dem "schlechtestmöglichen Namen" versehen …) surft in der Zieglergasse sehr gekonnt auf der ersten, zweiten und besonders auf der dritten Welle des Koffeinrauschs.

Als jetzt auch die Tranklerhütte nebenan frei wurde, griffen die beiden nochmals zu – und fanden mit Loup-Garou, französisch für Werwolf (wegen Wolfgang, right?), wieder einen Namen, für den ganz eindeutig ein paar Abzweigungen zu gach abgebogen wurde.

Auch diese Bude ist gut geworden: Der Bestand der vormaligen Absturzadresse (Bygos) wurde bis auf die Budel beibehalten und von vielfach patinierten Grindschichten befreit, in der Küche steht mit Jakob Bergholtz ein Mann, der schon im famosen Café Kandl zugange war, als Sommelière ist Sara Weissteiner aus Südtirol mit an Bord.

Platz sparen

"Natty Wine – Nasty Nibbles" ist hier Programm. Für Altspatzen: Natty steht für Natural. Wie im Kandl, im Mast, im Heunisch & Erben und etlichen köstlichen Adressen der Stadt mehr ist also "Low-intervention Wine" das Thema, meist mit göttlich wenig Alkohol, oft von großer Eleganz, gern mit köstlich rauschhaften Aromen. Merke: Auch alte Socken verströmen unwiderstehlichen Reiz, so sie nur von schönen Füßen kommen!

Es gibt gerade vier Tische und ein paar enge Plätze an der Bar, im Gegenzug wurde mit zwei Unisex-Häuseln (größer als die Küche und, wie es sich gehört, mit Tampax aufmagaziniert) dem Magistrat brav zugearbeitet. Jakob Bergholtz muss im Küchenkobel dementsprechend schmal kochen. Fad wird das dennoch nicht, auch weil das Team vor der Eröffnung gleich einmal eine Sau geschlachtet hat – beim Großmeister der Sauerei, Christoph Wiesner aus Wischathal.

Das mit dem Selberschlachten ist natürlich metaphorisch gemeint, schon allein weil’s ja verboten ist. Aber die Teile der Mangalitza-Sau aus denkbar idyllischer Freilandhaltung wurden alle mitgenommen, um nach und nach der Verarbeitung anheimzufallen. Diese Woche stehen etwa Tagliatelle vom Schwartel (!) auf der schwarzen Tafel mit den Specials, vergangene Woche war es, weil frisch nach der Schlachtung, ein erhaben fetter Leberaufstrich mit Preiselbeeren und Brioche-Toast, ziemlich urgewaltige Köstlichkeit mit sehr dezentem, fast wie Aroma gebrauchtem Leber-Einsatz.

Aligot ist außerordentlich cremige, mit reichlich Gruyère unterfütterte Polenta, dazu Schnittlauchöl und gebratene Chorizo von der Eigensau, Comfort-Food der Oberklasse.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dazu Manzanilla von La Riva, viel besser kann ein Abend nicht losgehen. Der Aufschnittteller kann’s auch (Achtung: Jamon von der eigenen Sau gibt es erst nach drei Jahren Reifung!), da zeigt die Coppa di Testa – Schweinskopfmortadella aus der Toskana –, warum Italien auch bei Frischwurst den Rüssel vorn hat.

Alle sagen Cheese

Carpaccio aus hauchdünn geschnittenem Fenchel, Sellerie und Pastinake mit Basilikum-Zitronen-Dressing der richtig lebendigen Art vermittelt Winterfrische pur, eindeutig das beste Rohgemüse seit dem Sommer.

Aligot ist, siehe Bild, außerordentlich cremige, mit reichlich Gruyère unterfütterte Polenta, dazu Schnittlauchöl und gebratene Chorizo von der Eigensau, Comfort-Food der Oberklasse.

Weil die Eigner es aus Luxemburg vermissen, muss es auch Bifana geben, die Schnitzelsemmel der portugiesischen Diaspora, mit in Weißwein und Knoblauch marinierten Scheiben von der Schweinsschulter, kurz und heftig gebraten, mit Käse gratiniert und ins knusprige Handsemmerl gepackt: Meine Herren, da kann unser Brösel im Brot echt was lernen. (Severin Corti, RONDO, 4.3.2022)

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