Marie-Theres Arnbom ist seit Jahresbeginn neue Direktorin des Theatermuseums in Wien.

Robert Newald

Javanische Stabpuppe des Wiener Jugendstilkünstlers Richard Teschner.

Robert Newald

Herkulesbrunnen im Eingangsbereich des Theatermuseums – davor die Installation zur aktuellen Ausstellung "Verehrt ... begehrt".

Robert Newald

Im Herbst werden Der Nino aus Wien und Johann Nestroy aufeinandertreffen – in der Ausstellung Austropop(ulär) im Theatermuseum. Marie-Theres Arnbom, seit Jahresbeginn neue Direktion des Hauses, möchte den Begriff Theater weiter fassen als meist üblich. Nicht nur Sprechtheater à la Josefstadt- oder Burgtheater, sondern auch Zirkus, Tanz, Puppenspiel, Kabarett zählen dazu. "Auch Tiktok ist im Grunde Theater", so die Historikerin. Alles, was sich inszeniert und eine Bühne findet. "Es gibt eigentlich keine Grenzen, auch der Film gehört ja zum Theater." Und deshalb hängen Der Nino aus Wien und Nestroy zusammen.

Sammelleidenschaft

Das am Lobkowitzplatz, an einer der schönsten Ecken der Wiener Innenstadt, gelegene Theatermuseum – einen Steinwurf entfernt von der Albertina und in direkter Sichtachse zur Staatsoper – will sich künftig breiter aufstellen und so neues Publikum ansprechen. Schließlich läuten die sprichwörtlichen Glocken eher bei zum Beispiel Peter Alexander als, sagen wir, bei Richard Teschner (1879–1948). Auch wenn Letzterer mit seinem berühmten Figurenspiegel und den javanischen Stabpuppen einer der wichtigsten (Jugendstil-)Künstler der hauseigenen Sammlung ist.

Theatermuseen haben eine scheinbar unbewältigbare Aufgabe: Sie befassen sich mit einer Kunst, die es unmittelbar nach ihrer Fertigstellung schon nicht mehr gibt. Nach dem Applaus ist Schluss. Dieser entschwindenden Kunst dennoch habhaft zu werden und darüber hinaus ihre kulturelle Verankerung in der Gesellschaft abzubilden, ist das Anliegen, das heißt, Archiv, Dokumentationsstelle und Präsentationsraum zugleich zu sein.

Der Fluch (und Segen) der Vergänglichkeit hat seit jeher eine rege Sammelkultur beflügelt. Die aktuelle, noch bis 22. April laufende Schau Verehrt ... begehrt behandelt genau diesen Theaterkult und zeigt unterschiedliche Memorabilien aus dem privaten wie künstlerischen Umfeld von Bühnenstars, darunter bleischwere Schminkkoffer, signierte Fächer oder Handmodelle großer Deklamationskünstler wie Alexander Moissi.

Lobkowitzplatz

Das Museum erhält viele Schenkungen von Theaterfans und deren Erbinnen und Erben. Über zwei Millionen Objekte sind es, die das Museum beherbergt, und sie werden wöchentlich mehr. Darunter über 100.000 Handzeichnungen, eintausend Bühnenbildmodelle und eine rasch anwachsende Fotothek von derzeit 1,6 Millionen Bildern. Ein Großteil der 1500 Originalkostüme samt Accessoires sowie Schmuck wiederum stammt aus den Beständen der Wiener Hofoper.

Noch ein wenig Geschichte: Das Theatermuseum geht auf die bis in die Barockzeit zurückreichenden Theaterbestände der Österreichischen Nationalbibliothek zurück und wurde 1922 von dort herausgelöst. Dank bedeutender Nachlässe, etwa von Burgtheaterdirektor Hugo Thimig (1854–1944) oder von Schriftsteller Hermann Bahr (1863–1934), konnte sich das Theatermuseum auf eigene Beine stellen. Mit der Hinterlassenschaft von Letzterem kam übrigens das berühmte Gemälde Nuda Veritas von Gustav Klimt in die Sammlung. Erst 1975 erhielt sie im Hanuschhof einen eigenen Standort. Nachdem die Räumlichkeiten rasch zu klein wurden, kaufte die Republik das nahegelegene Palais Lobkowitz als neue Heimstatt an. Eröffnung war am 26. Oktober 1991. Seit 2001 gehört das Theatermuseum als Teil des Kunsthistorischen Museums zum Bundesmuseumsverbund.

Beethoven-Uraufführung

Das Palais Lobkowitz, zwischen 1745 und 1980 im Besitz der gleichnamigen böhmischen Aristokratenfamilie, ist eines der ältesten Barockpalais der Innenstadt und steht mit seinem Eroica-Saal in direkter Verbindung zu einer musikgeschichtlich relevanten Performance. Vor 218 Jahren, am 9. Juni 1804, brachte genau hier, im damaligen Konzertsaal der Mäzenatenfamilie, Ludwig van Beethoven seine später Eroica genannte Sinfonie zur Uraufführung. Der weihevolle Saal wurde bisher für Veranstaltungen genützt. Unter Arnboms Direktion soll er künftig auch als Ausstellungsraum vermehrt zum Einsatz kommen. Es muss Leben in die Bude!

Auch eine grundsätzliche historische Untersuchung hat die Direktorin vor: Sie will die Geschichte der Sammlungen und des Hauses aufarbeiten und präsentieren, vor allem die Zeit des NS-Regimes, als das arisierte Palais zu Propagandazwecken als "Haus der Mode" verwendet wurde. Die Räumlichkeiten hatte damals Josef Hoffmann gestaltet.

Weitere wichtige Nachlässe stammen vom Schauspielerpaar Paula Wessely und Attila Hörbiger und von Operettensänger Hubert Marischka. Auch Nestroy-Reliquien besitzt das Museum. Zu den ältesten Exponaten gehören Bücher aus dem Barock, die die 100.000 Bände und Manuskripte umfassende Präsenzbibliothek beherbergt. Dort liegt auch der älteste Theaterzettel, die Ankündigung einer Hanswurstiade anno 1713.

E-Mails ausdrucken?

Als Historikerin ist Arnbom vor allem von Korrespondenzen begeistert. Es stellt sich allerdings die Frage, wie diese künftig gesammelt werden sollen. "Werden wir irgendwann E-Mails oder gar Whatsapp-Verläufe ausdrucken?" Erst kürzlich hat sie einen Klavierauszug des Rosenkavalier erstmals in Händen gehalten, mit einer Widmung Richard Strauss’ an den Bühnenbildner Alfred Roller. Wird es solche Dokumente in Zukunft noch geben?

Es wird sie vermutlich in anderer Form geben, und Arnbom ist dem Wandel gegenüber offen. So wie sie die Bühnen des Austropop mit dem Altwiener Volkstheater in Verbindung bringt und Zugänge über niederschwelligere Themen wie "Tiere auf der Bühne" schaffen möchte, will sie auch "den digitalen Boost nützen". Können wir irgendwann historischen Barockopern im virtuellen Raum beiwohnen? Das ist nicht zuletzt eine finanzielle Frage.

Hemmschwellen abbauen will das Theatermuseum auch durch einen Gastronomiebetrieb im Innenhof. Zuvor muss aber sauber gemacht werden. Die Gebäudefassade und der Hof werden noch dieses Jahr saniert. Diesen Sommer gibt es also Eis vorerst noch im Pop-up-Service. (Margarete Affenzeller, 1.3.2022)