Russische Fahne bei der Corona-Demonstration am vergangenen Samstag.

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Am vergangenen Samstag zogen wieder organisierte Rechtsextreme gemeinsam mit Impfgegnerinnen und -gegnern durch Wien. Auf der Corona-Demonstration waren – nur wenige Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 – russische Fahnen zu sehen, aus einem Lautsprecher tönte die russische Nationalhymne. Wladimir Putin gilt im rechtsextremen Milieu schon seit Jahren als Identifikationsfigur, dessen Panzerpolitik und autoritäres Auftreten imponiert diesen Kreisen. "Wir wollen einen wie Putin", titelte die in Oberösterreich erscheinende rechtsextreme Zeitschrift "Info Direkt" bereits im Jahr 2015.

Es fällt auch auf, dass auch Corona-verharmlosende Online-Gruppen russische Narrative und Propaganda verbreiten. Das liegt einerseits daran, dass die Szene maßgeblich von Rechtsextremisten beeinflusst wird und andererseits die Feindbilder sich überlappen. So wird der Krieg in der Ukraine mit der Corona-Pandemie verknüpft. Finstere Mächte im Hintergrund, die "Globalisten", werden für beide Krisen verantwortlich gemacht.

Martin Rutter, der sich als Anführer der Corona-Proteste inszeniert und maßgeblich die Kundgebung am Samstag organisierte, schrieb auf Telegram: "Dieselbe Regierung, dieselben Medien und dieselben Hintergrundmächte, die sich für die ‚Corona-Pandemie' zuständig zeichnen, treiben nun Österreich in einen Wirtschaftskrieg auf der Seite der USA und der Nato." Und er sieht "Globalisten" am Werk. Das Wort steht bei vielen Rechtsextremen als ein Code für Jüdinnen und Juden.

Die "uns jetzt in den Krieg hetzen wollen"

Das oberösterreichische Medienprojekt "Auf1", ein wichtiges Sprachrohr verschwörungsgläubiger Impfgegner, machte vor dem russischen Angriff das "Globalisten-Regime des Westens" für eine mögliche Eskalation verantwortlich. Es seien "dieselben Globalisten", die "den Corona-Ausnahmezustand vom Zaun gebrochen haben", die "uns jetzt in den Krieg hetzen wollen", schrieb "Auf1"-Chefredakteur Stefan Magnet auf Telegram.

"Auf1"-Chefredakteur und das "Wir wollen einen wie Putin"-Cover der rechtsextremen Zeitschrift "Info-Direkt".

Nach dem Angriff auf die Ukraine bezeichnete "Auf1" den Einmarsch russischer Truppen als "bedenklich". Mehr an Kritik war von Magnet nicht zu vernehmen. Ergänzend führte er aus, dass der "globalistische Westen" nun eine "Ausweitung des Krieges" möchte. Deswegen solle sich Österreich neutral verhalten. Damit hat "Auf1" die Linie der FPÖ übernommen.

Linie der FPÖ

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl erklärte, der "Angriff von russischen Truppen ist in keiner Art und Weise zu rechtfertigen", sprach sich jedoch gegen Sanktionen gegen Russland aus und betonte Österreichs Neutralität. Eine neue Position – erst im Juli des vergangenen Jahres forderte die FPÖ-EU-Sprecherin Petra Steger "größtmögliche Sanktionen" gegen die Türkei, nachdem zuvor der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Kriegsrhetorik gegenüber dem griechischen Teil Zyperns angestimmt hat. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer kann Kickl mit der Politik des russischen Präsidenten offensichtlich wenig anfangen. Er hat den im Dezember 2016 geschlossenen Freundschaftsvertrag zwischen der FPÖ und der Putin-Partei Einiges Russland nicht erneuert. Als der Vertrag damals in Moskau unterzeichnet wurde, war, laut Medienberichten, auch "Auf1"-Chefredakteur Stefan Magnet als Teil der freiheitlichen Delegation mit dabei. Magnet bewegte sich in jungen Jahren in der Neonazi-Szene und publizierte in "Info Direkt" und "Wochenblick". Er war sogar für das "Wir wollen einen wie Putin"-Cover von Info-Direkt mitverantwortlich, wie er auf Facebook schrieb. In der ebenfalls in Oberösterreich angesiedelte Zeitschrift "Wochenblick" sind eher Sichtweisen Moskaus und der FPÖ zu finden als Journalismus.

Rechtsextreme in Europa

Teile der deutschen AfD halten weiterhin an Wladimir Putin fest, die Partei sprach sich ebenfalls gegen Sanktionen aus und gibt die Schuld an dem Angriff aber nicht Putin, sondern dem Westen, der EU und der Nato.

Diese Erzählung ist auch von Rechtsextremen in Frankreich zu hören. Deren neues Aushängschild, Éric Zemmour, präsentierte sich 2018 als Bewunderer von Wladimir Putin: "Ich träume von einem französischen Putin", sagte er. Matteo Salvini, Chef der rechten Lega Nord in Italien, verurteilte den russischen Angriff. Zuvor aber galt er ebenfalls als Anhänger Putins und posierte schon mal mit einem T-Shirt, auf dem ein Porträt des russischen Präsidenten abgebildet war.

Martin Sellner versucht sich als Militärexperte

An die Seite Russlands stellt sich das "Compact-Magazin" von Jürgen Elsässer. "Die Aggression geht von der Nato unter Führung der USA aus", erklärt er seinen Leserinnen und Lesern. Das "Compact-Magazin" gilt als Sprachrohr der deutschsprachigen Neuen Rechten, das seine Leserschaft nicht mit theoretischen Inhalten überfordern will. Regelmäßig publiziert auch Identitären-Anführer Martin Sellner in der Zeitschrift. Sellner hält sich in seinen Social-Media-Kanälen mit einer klaren Positionierung zurück. Er schreibt von einem "Bruderkrieg", berichtet vom Kriegsgeschehen und versucht, den Krieg mit Fremdenfeindlichkeit zu verknüpfen, indem er vor neuen Flüchtlingsströmen warnt. Auch warnt er vor einer Spaltung der "deutschen Rechten", da nicht alle Medien und Aktivisten auf der Seite Putins stehen.

Küssel-Leute an der Seite der Ukraine

Österreichische Neonazis aus dem Umfeld Gottfried Küssels kritisieren die russlandfreundlichen Neuen Rechten und rechtsgerichtete Medienprojekte wie "Auf1". "Jeder, der Vielvölkerstaaten unterstützt oder bejubelt, egal ob die USA oder Russland, ist nicht unser Verbündeter, sondern Gegner", heißt es auf Telegram. Das passt zur Linie der deutschen Neonazi-Partei 3. Weg, die Kontakte zu Gesinnungsgenossen in der Ukraine unterhält.

In der Ostukraine kämpften Rechtsextreme und Neonazis zum Teil in eigenen Regimentern wie Asow schon seit Jahren gegen die prorussischen Separatisten. Nun treten sie gegen die russische Armee an. Sonst spielen Rechtsextreme in der Ukraine derzeit keine Rolle, auch wenn der russische Präsident Putin etwas anderes behauptet.

Bei den vergangenen Wahlen sind Rechtsextreme an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. "Der aktuelle Präsident ist russischsprachiger Jude, was das Narrativ von Nazis, die Russischsprachige unterdrücken, noch viel lächerlicher macht. Gegen seine Desinformation hilft nur ebenso offensive Aufklärung, was man im Westen bislang verpasst hat", sagt die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband der ARD. (Markus Sulzbacher, 2.3.2022)

Vergangene Woche demonstrierten hunderte Personen von der russischen Botschaft in Wien.
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