
Die dehnbaren Folien können in der Medizin eingesetzt werden oder auch, um Gesteinsbewegungen im Gebirge festzustellen.
Metallische Leiter weisen naturgemäß meist gute elektrische Eigenschaften auf. Sie sind aber mechanisch sehr unflexibel, insbesondere nur eingeschränkt dehnbar. Die Kunststoffgruppe der Elastomere verhält sich genau umgekehrt: miserable Leiter, aber dafür gut verformbar und sogar elastisch. Forschende der Montanuniversität Leoben haben nun Eigenschaften beider Materialklassen kombiniert und so eine leitfähige Kunststofffolie entwickelt.
Die Folie ist Resultat des Projekts CELCOS, das im Rahmen der Initiative Produktion der Zukunft von der Förderagentur FFG unterstützt wurde. Projektpartner waren neben der Montanuniversität Joanneum Research, das Human Research Institut für Gesundheitstechnologie und Präventionsforschung sowie der Leiterplattenhersteller AT+S.
Die Folie besteht aus einem hauchdünnen Elastomer, in das Silberpartikel eingelagert sind. Letztere sorgen für die Leitfähigkeit. Die Herstellung der Folie erfolgt mittels Siebdrucks. Dabei wird eine Paste oder – wenn es etwas weniger viskos sein soll – eine Tinte durch ein Sieb gepresst und auf eine flexible Kunststoffträgerfolie aufgetragen.
Gedruckte Strukturen
Die Tinte selbst enthält eine Elastomer-Vorstufe sowie Silbersalze. Mithilfe einer Schablone lassen sich dabei bestimmte Bereiche des Siebs durchlässig und andere undurchlässig machen. Auf diese Weise kann man bestimmte Strukturen wie Leiterbahnen oder Elektroden erzeugen. Die bedruckte Folie wird anschließend auf 100 Grad Celsius erhitzt. Im Zuge dieses Verfahrens polymerisiert einerseits die Elastomer-Vorstufe zu einem elastischen Elastomer. Andererseits verwandeln sich die Silbersalze zu metallischen Silberpartikeln.
Vergleichbare Tinten gibt es zwar bereits auf dem Markt zu kaufen. Doch diese enthalten in der Regel bereits Silberpartikel. Die Lösung der Leobener setzt demgegenüber auf Silbersalze. "Die Herstellung von Silberpartikeln ist relativ aufwendig und teuer", erklärt Thomas Grießer, Projektleiter und Professor für Chemie der Kunststoffe am Department Kunststofftechnik der Montanuniversität Leoben. "Silbersalze sind um das Zwei- bis Dreifache billiger, dadurch ist unsere Tinte günstiger."
Für die Reaktion von Silbersalzen zu Silber ist ein Reduktionsmittel nötig. Ein weiteres Ziel des Projekts war es, hierfür eine gesundheitlich unbedenkliche Substanz zu finden. "Unser Reduktionsmittel zersetzt sich im Prinzip nur zu Kohlendioxid in ganz geringer Menge", sagt Grießer. Ein dritter Vorteil ist der geringe elektrische Widerstand des Materials. Oder anders ausgedrückt: die hohe Leitfähigkeit. Darüber hinaus ist die Folie ohne völligen Verlust der Leitfähigkeit um bis zu 200 Prozent dehnbar. Da hierbei der Abstand zwischen den Silberpartikeln steigt, verringert sich zwar die Leitfähigkeit sukzessive. Doch gerade diese Eigenschaft lässt sich geschickt ausnutzen.
Sensor für Atemfrequenz
So haben die Wissenschafter im Rahmen des CELCOS-Projekts ein etwa zehn mal drei Zentimeter großes Pflaster hergestellt, das auf den Brustkorb einer Versuchsperson geklebt wurde. Durch die Atmung hebt und senkt sich der Brustkorb, was wiederum zu einem regelmäßigen Wechsel von Dehnung und Rückkehr in die Ausgangsposition des Pflasters führt. Die daraus resultierende Veränderung des elektrischen Widerstands kann über eine auf das Pflaster gedruckte Elektronik per Funk ausgelesen werden. Damit hat man einen günstigen Sensor für die Atemfrequenz mit potenziellen Anwendungen für den medizinischen Bereich oder für Sportler.
Eine weitere Anwendung testet Grießer gemeinsam mit Kollegen vom Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft. Ziel ist die Entwicklung eines gedruckten Dehnungssensors, der an einem Gebirgsanker befestigt und gemeinsam mit diesem in den Fels geschlagen werden soll. Dort könnte er Bewegungen im Gestein überwachen, die sich in Form von Dehnungen und damit zugleich als Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit auswirken.
Für die Leobener Entwicklung sprechen vor allem ökonomische Erwägungen: Man benötigt nur sehr wenig Tinte, die Trägerfolie kostet fast nichts, und der Siebdruck ist ein etabliertes Verfahren. "Die Kosten eines gedruckter Sensors liegen im Centbereich", bestätigt Grießer. "Das ist der große Vorteil." (Raimund Lang, 7.3.2022)