Muss bei Marc Aurel und den Stoikern in die Schule gegangen sein: Christian Wehrschütz, hier noch seelenruhig im Donbass.

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Der Krieg in unserer mittelbaren Nachbarschaft produziert ein nicht mehr für möglich gehaltenes Elend. Das durchdringende Gellen der Sirenen im Ohr, erleben die Ukrainerinnen und Ukrainer das Toben der Kriegsfurie. Allabendlich erreichen uns Handy-Videos der Betroffenen. Sie stimmen einen wütend, ratlos, desperat. Die ruhigste Figur inmitten dieses Chaos macht ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz. Dieser Unerschütterliche muss in frühester Jugend – als unsereins Bessy-Hefte las oder im Playboy die Interviews mit Friedrich Dürrenmatt – Marc Aurel verschlungen haben. Das leitende Prinzip von Wehrschütz‘ Handeln ist stoisch. Kontrolliere deine Affekte! Ist in deiner Nähe eine Rakete eingeschlagen? Prüfe, ob die Pelzmütze noch bequem sitzt!

Als kleiner Babyboomer erlebte ich, wie von meinen Mitmenschen die Androhung eines Krieges mit aggressiven Anwandlungen Russlands (der "Sowjetunion") identifiziert wurde. In der Regierungszeit Bruno Kreiskys schloss man Bekanntschaft mit sozialistischen Staatsführern, indem man ihnen vor dem Fernsehschirm beim Austausch heißer Küsse zusah. Bei Leonid Breschnew konnte ich das verstehen: Er sah meiner Großtante aus dem Piestingtal, einer gelernten Bäckerin mit starkem Überschwang, zum Verwechseln ähnlich. Vor allem, was die Dichte der Augenbrauen betraf.

Nichts wie hin

Russland selbst fand ich nicht so schlimm. Das Eishockeyteam der Sowjets ("Sbornaja") versetzte mich regelrecht in Begeisterung, zumal, als Wien Schauplatz einer Eishockey-WM wurde. Meine Devise: nichts wie hin! Leider machte mir der Weltkommunismus einen Strich durch die Rechnung. Als ich vor dem Schönbrunner Parkhotel den Spielern auflauerte, um ihnen Autogramme abzujagen, war die Equipe bereits abgereist. Was ich erntete, war die hastig in mein Heft gekritzelte Unterschrift eines rumänischen (!) Athleten. Rumänien war 1977 Letzter geworden und stieg aus der A-Gruppe ab. Damals wusste ich, von meinen Mitschülern verlacht, die Gabe nicht recht zu schätzen. Dieser Tage bewundere ich die Rumänen: für ihre Hilfsbereitschaft gegenüber ukrainischen Flüchtlingen. (Ronald Pohl, 2.3.2022)