Der ikonische Schädel eines T-rex, der die neue Ausstellung "The Ultimate Predator" im Wissenschaftsmuseum von Vancouver ziert. Fachleute streiten sich darüber, ob es nur diese eine Art von Tyrannosauriern gab. Die Kontroverse gibt Einblicke, wie Paläontologie funktioniert.

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Er ist der fraglos bekannteste aller Dinosaurier und ist entsprechend zahlreich in den Kinderzimmern unseres Planeten vertreten: Tyrannosaurus rex war mit einer Länge von zwölf Metern und einem Gewicht von bis zu neun Tonnen eines der größten Raubtiere, das je auf der Erde lebte. Und entsprechend zahlreich sind die wissenschaftlichen Publikationen, die über den unbestrittenen Popstar der Saurier verfasst wurden.

Eine neue Studie stellt nun allerdings infrage, dass man Tyrannosaurus rex im Singular und von einer einzigen Spezies sprechen sollte: Analysen von Skelettresten würden nämlich relativ große Unterschiede bei verschiedenen Knochen und Zahnstrukturen zeigen. Das wiederum würde darauf hindeuten, dass Tyrannosaurus rex eigentlich in drei verschiedene Arten eingeteilt werden müssten, berichten Forschende um den schillernden Paläontologen Gregory Paul in der Zeitschrift "Evolutionary Biology".

Analysierte T-rex-Skelette

Was wird in dem Fachartikel, der prompt heftige Gegenreaktionen auslöste, im Detail behauptet? Gregory Paul und seine beiden Kollegen analysierten die Knochen und Zahnreste von 37 Tyrannosaurus-Exemplaren. Die Autoren verglichen bei 24 Exemplaren die Robustheit des Oberschenkelknochens. Sie maßen auch den Durchmesser der Kiefer, um festzustellen, ob die Exemplare ein oder zwei schlanke Schneidezähne hatten.

28 der untersuchten Tyrannosaurus-Fossilien stammen aus der sogenannten Hell-Creek-Formation im US-Bundesstaat Montana. Während in den älteren Schichten ausschließlich Exemplare mit robuste Oberschenkel gefunden wurden, so Paul und Kollegen, differenzierte sich deren Gestalt bei den jüngeren Exemplaren aus. Das ist auch die Hauptbegründung, von drei Arten zu sprechen: Die Unterschiede seien so deutlich, "dass die Exemplare möglicherweise als eigene Arten betrachtet werden könnten".

Daher erhielt der früheste, massige Tyrannosaurus, der im Hell Creek auftauchte, den Namen Tyrannosaurus imperator, der sich im Laufe von ein bis zwei Millionen Jahren in den robusten Tyrannosaurus rex und den neu benannten, vergleichsweise schlanken Tyrannosaurus regina aufspaltete. Die Forschenden wollten aber auch nicht ausschließen, dass es bei den Knochenfunden um extreme Ausprägungen einer Art (also T-rex) handeln könnte.

Heftiger Gegenwind

Dieser Vorschlag und der ihm zugrundeliegende Fachartikel wurden von etablierten Vertretern des Fachs stante pede heftig kritisiert, wie die "New York Times" in aller Ausführlichkeit berichtet: Die Zeitung zitiert unter anderem den Paläontologen Thomas Carr (Carthage College in Kenosha, Wisconsin), der die Beweise für die Verdreifachung der Tyrannosaurus-Arten für "verschwindend gering" hält. Ein anderer Paläontologe – Philip Currie von der Universität Alberta – habe sich von der Autorenliste des Fachartikels streichen lassen, ehe er veröffentlicht wurde. Und Kuratoren in Museen mit Tyrannosaurus-Exemplaren geben sich ebenfalls skeptisch.

Das mag freilich auch ein bisschen damit zu tun haben, dass Gregory Paul weder eine universitäre Ausbildung noch Affiliation hat, sondern unabhängiger Forscher und Künstler ist. Aber er ist andererseits auch (Ko-)Autor von rund 30 wissenschaftlichen Publikationen über Dinosaurier. Und er hatte einen gewichtigen Einfluss auf Michael Crichton und seinen verfilmten Romanklassiker "Jurassic Park".

Tücken der Taxonomie

Grundsätzlich ist die Einteilung und Namensgebung von Dinosauriern kein sehr objektiver Prozess, da diese Klassifikation meist auf Grundlage von nur wenigen Skeletten stattfindet. Im Fall von Tyrannosaurus rex geschah das im Jahr 1902. Seitdem wurden zwei bis drei Dutzend Exemplare ausgegraben, dennoch erhielt sich die Bezeichnung bis heute: Tyrannosaurus für die Gattung und Tyrannosaurus rex für die einzige Art dieser Gattung. Die Unterschiede im Knochenbau wurde auch damit argumentiert, dass es einen erheblichen Geschlechtsdimorphismus gab, also dass sich männliche und weibliche Tiere stark unterschieden.

Paul kommt mit seinen beiden Kollegen nach zwölf Jahren der Recherchen über dieses Thema aber zu einem anderen Schluss: "Wir haben festgestellt, dass die Unterschiede der Oberschenkelknochen von Tyrannosaurus wahrscheinlich nicht mit dem Geschlecht oder dem Alter des Exemplars zusammenhängen." Die von der "New York Times" befragten Kuratoren jener Museen mit den wichtigsten T-rex-Skeletten – wie etwa des Field Museum in Chicago mit der berühmten Sue – denken dennoch (noch) nicht im Entferntesten daran, Neubenennungen ins Auge zu fassen.

Produktive Kontroversen

Leonard Finkelman, der an der Linfield University in Oregon über die Philosophie der Paläontologie forscht, sieht die Sache etwas gelassener: Bis die Dinosaurierpaläontologen einen einheitlichen Standard für die minimalen anatomischen Unterschiede ausarbeiten, die für die Benennung einer neuen Art erforderlich sind, werde es immer wieder zu Kontroversen wie dieser kommen, sagt er in der "New York Times".

Provokante Vorschläge wie dieser, die auf den ersten Blick wenig überzeugend erscheinen, könnten durch zukünftige Funde bestätigt werden, meint Finkelman. Und sie können Fachleute dazu veranlassen, alte Funde im Lichte der neuen Behauptungen neu anzusehen.

Das ist im Grunde genau das, was Gregory Paul will. Und vielleicht erhält er ja auch Unterstützung von der Dinosaurier-Spielzeugindustrie. Die hätte gewiss nichts dagegen, neben Modellen von T-rex auch solche von T-regina und T-imperator zu verkaufen. (tasch, 1.3.2022)