Die Zentrale der OMV in Wien.

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Druck der internationalen Kapitalmärkte und Pression westlicher Regierungen zwingen immer mehr börsennotierte Unternehmen hinaus aus Russland. Auch der Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV hat verstärkten Erklärungsbedarf zu seinem Russland-Engagement, seitdem Präsident Wladimir Putin der Ukraine unter Bruch des Völkerrechts den Krieg erklärt hat.

Russland galt bis vor kurzem noch als Kernregion der OMV, was die Förderung von Öl und insbesondere Gas betrifft. Ex-OMV-Chef Rainer Seele hat den Fokus bei der Öl- und Gasproduktion von der Nordsee Richtung Osten verschoben – nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeit, dort zu vergleichsweise sehr günstigen Preisen Öl und Gas zu fördern.

Neue Strategie

Mit der neuen Strategie, die Seele-Nachfolger Stern in zwei Wochen präsentieren will, ist diesbezüglich ein Kurswechsel zu erwarten. Alles andere als eine weitgehende Abkehr von Öl und Gas und eine verstärkte Hinwendung zu Chemie und Kreislaufwirtschaft wäre angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel und des Kriegs in der Ukraine eine Überraschung.

Schon am Dienstag gab es einen ersten Schritt. Nach einer Vorstandssitzung wurde der bereits erwartete Verzicht auf den Erwerb von knapp einem Viertel am Gasfeld Achimov offiziell gemacht. Die Beteiligung an der fertiggestellten, aber umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 wird überprüft. Wie stark ist die OMV aber noch mit Russland verbandelt?

Es sind im Prinzip drei Bereiche: die Beteiligung am Gasfeld Juschno, die Gaslieferverträge der OMV mit Gazprom Export sowie die Millionen an Euro, die in der mittlerweile auf Eis gelegten Ostseepipeline Nord Stream 2 stecken.

Beteiligung an Juschno Russkoje

Am Gasfeld Juschno Russkoje hat sich die OMV 2017 beteiligt. Für 24,99 Prozent der Anteile, die zuvor von dem aus einer Abspaltung von Eon hervorgegangenen deutschen Energiekonzern Uniper gehalten wurden, hat die OMV rund 1,7 Milliarden Euro bezahlt. Damit sicherte sich der Konzern rund 580 Millionen Fass (159 Liter) Öläquivalent an förderbaren Reserven.

OMV hat 1968 als erstes westliches Unternehmen einen Gasliefervertrag mit Russland abgeschlossen. Die Verträge wurden immer wieder erneuert – zuletzt 2018. Sie laufen bis zum Jahr 2040.
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Gaslieferverträge

Ein eigenes Kapitel sind die Gaslieferverträge, die erst vor vier Jahren bis 2040 verlängert worden sind. OMV war 1968 das erste westliche Unternehmen, das einen Gasliefervertrag mit der Sowjetunion abgeschlossen und damit auch als Türöffner für Gaslieferungen weit in den Westen gedient hat. Rund 80 Prozent der in Österreich verbrauchten Gasmenge kamen zuletzt aus Russland. In Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze kommt aber auch Gas an, das weiter nach Italien, Ungarn und Deutschland geht.

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Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 ist betriebsbereit, aber ohne Genehmigung. Die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz steht vor der Insolvenz.
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Nord Stream 2

Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 schließlich, die Anfang September fertiggestellt wurde und eine Verdoppelung der Gaslieferungen aus Russland unter Umgehung der Ukraine nach Deutschland ermöglichen sollte, ist ein Finanzinvestment der OMV. Insgesamt hat der Konzern dafür 729 Millionen Euro als Teil eines Finanzierungskonsortiums überwiesen. Wie es dort weitergeht, ist offen, nachdem die in der Schweiz angemeldete Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG am Dienstag Insolvenz angemeldet hat. Sämtliche 140 Mitarbeiter seien zuvor gekündigt worden, bestätigte ein Sprecher von Nord Stream 2.

Der Kapitalmarkt hat die OMV in den vergangenen Tagen so stark abgestraft wie sonst keinen anderen Mineralölkonzern mit Interessen in Russland. Die Aktie hat im Februar fast ein Viertel ihres Werts eingebüßt, nicht zuletzt deshalb, weil Investoren immer mehr auf drei Buchstaben schauen: ESG als Abkürzung für Environment, Social, Governance, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

Handlungsbedarf

"Es ist auch ESG, aber nicht nur", sagt Susanne Kalss, Vorständin des Instituts für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, im STANDARD-Gespräch. Russland sei "ein aktiv kriegführendes Land, Österreich trägt die Sanktionen mit und ist zu knapp einem Drittel an der OMV beteiligt". Da bestehe Handlungsbedarf, sagt Kalss, zumindest was die Beteiligungen betreffe. Mubadala, der Syndikatspartner der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag, sei "sicher auch nicht begeistert über die Situation".

Anfang der Woche haben Ölkonzerne wie BP, Shell oder die norwegische Equinor kundgetan, die Beziehungen zu ihren russischen Partnern abzubrechen. Die britische BP will ihre 19,75-Prozent-Beteiligung an Rosneft abstoßen, die niederländisch-britische Shell sich von ihrer 27,5-Prozent-Beteiligung am Offshore-Flüssiggas-Projekt Sachalin 2 trennen.

Druck steigt

Nun steigt auch der Druck auf Unternehmen wie Total, Trafigura und Vitol, dem Beispiel zu folgen. Der US-Konzern Exxon Mobil ist seit 25 Jahren in Russland aktiv. 2018 hat er sich aus einem Joint Venture mit Rosneft zurückgezogen, ist aber noch bei Sachalin 1 engagiert. (Günther Strobl, 1.3.2022)