Die sichere Versorgung mit Gas ist im Moment noch oberste Priorität.

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Was lange Zeit unvorstellbar war oder im koalitionären Hickhack völlig unterzugehen drohte, scheint unter dem Eindruck des Putin'schen Aggressionskrieges gegen die Ukraine verhältnismäßig harmonisch und rasch zu gehen. In der Tat verbleibt nicht viel Zeit, will man sich auf den kommenden Winter mit eingeschränkten oder abgerissenen Gaslieferungen aus Russland vorbereiten. Die Sommermonate sind entscheidend hierfür.

Eine Stoßrichtung der türkis-grünen Bemühungen geht in Richtung Gasbevorratung. Anders als bei Erdöl und daraus gewonnenen Produkten gibt es in Österreich bei Gas bisher keine staatlich verordnete Pflichtreserve. Bei Öl war das eine Reaktion auf die Nahostkrise und den Ölpreisschock in den 1970er-Jahren.

Per Gesetz müssen Importeure ständig ein Viertel der jährlich importierten Rohölmenge oder daraus gewonnener Produkte auf Lager halten. Das entspricht einer Reserve von 90 Tagen und gilt auch in vielen anderen Ländern. Die Vorräte sind zu einem großen Teil in den Tanks der zentralen Erdölbevorratungsstelle ELG im steirischen Lannach gelagert.

Gasbevorratung

An dem Gesetz, das Gasversorgungsunternehmen und möglicherweise auch Gasimporteure verpflichten soll, eine bestimmte Menge an Gas einzuspeichern, wird im Klimaschutzministerium mit Hochdruck gearbeitet. Dass man bisher auf ein solches verzichten zu können glaubte, hat auch damit zu tun, dass dies einen doch schweren Eingriff in den Speichermarkt bedeutet. Und es kostet auch Geld.

Angesichts der unsicheren Versorgungslage und der Herausforderung, mit möglichst vollen Speichern über den nächsten Winter zu kommen, scheint dies aber die einzige Möglichkeit zu sein. Das Gesetz soll nach der dann noch notwendigen Abstimmung mit der ÖVP im Sommer in Kraft treten. Das hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits vergangene Woche angekündigt.

Am Dienstag hat Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck seitens der ÖVP die Priorität für das Gesetz bekräftigt. Das sei einer der Schritte, die kurzfristig größere Unabhängigkeit von russischen Gasimporten gewährleisten sollen. Ein weiterer Schritt sei der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien. "Es darf kein Lippenbekenntnis mehr bleiben, und wir müssen hier vor allem bei den schnelleren Verfahren ansetzen. Wir brauchen diese Novelle des UVP-Gesetzes jetzt und rasch", sagte Schramböck.

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Ein Tankschiff mit Flüssiggas an Bord nimmt Kurs auf Europa.
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Neben Wind- und Sonnenenergie brauche man auch leistungsfähige Biogasanlagen zur Versorgung von Haushalten und Industrie. So könnten in Summe mehr als 20 Prozent des Gasbedarfs in Österreich ersetzt werden. Zusätzlich sei es aber auch wichtig, frische Gaslieferungen aus dem arabischen Raum zu bekommen, und die Versorgung mit Flüssiggas.

Suche nach frei verfügbaren LNG-Mengen

LNG, wie das in Schifftanks transportierte Flüssiggas im Fachjargon heißt, könnte zum Beispiel an der oberen Adria in dort vorhandenen Terminals regasifiziert und über die Adria-Wien-Pipeline nach Österreich geleitet werden. Bei LNG müsste man aber auch langfristige Verträge eingehen, um Liefersicherheit zu haben, sagen Experten dem STANDARD.

Ein weiteres Gesetz, das von Türkis-Grün bis Sommer auf den Weg gebracht werden soll, betrifft die erneuerbare Wärme. Das ebenfalls im Klimaschutzministerium auszuarbeitende Gesetz wird ein Verbot von Gasthermen in Neubauten vorsehen, möglicherweise auch das Verbot des Weiterbetriebs im Sanierungsfall. Mit dem Erneuerbaren-Wärmegesetz soll der Gasverbrauch mittel- bis langfristig zurückgehen, was die Abhängigkeit von russischen Gasimporten weiter senken würde.

Kohle als Ersatz für Gas zur Produktion von Strom und Wärme ist in Österreich keine Alternative. Das letzte mit Kohle befeuerte Kraftwerk hat der Verbund im Frühjahr 2020 in Mellach bei Graz vom Netz genommen.

Bruegel-Studie zur Gasversorgung

Welcher Kraftanstrengung es bedarf, Österreich und andere EU-Mitgliedsländer mit genug Energie für den nächsten Winter zu versorgen, zeigt eine Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Um alle zurzeit ziemlich leergeräumten Speicher in Europa mit Gas zu füllen, seien an die 700 Terawattstunden (TWh) notwendig. Bei den derzeitigen Preisen würde dies mindestens 70 Milliarden Euro kosten. Verglichen mit den rund zwölf Milliarden Euro, die in den vergangenen Jahren fällig waren, wäre das fast sechsmal mehr.

"Ein staatliches Eingreifen wird notwendig sein, um in den kommenden Monaten ausreichende Importe sicherzustellen", heißt es in der Studie. Geschehen könnte dies in Form einer Taskforce, die die Käufe koordiniert und verhindert, dass sich Unternehmen gegenseitig überbieten. Firmen, die Gas speichern, sollten finanziell abgesichert werden, raten die Studienautoren. (Günther Strobl, 2.3.2022)