Welche Geflüchteten wollen wir? Diese Frage wird derzeit tatsächlich in den Raum gestellt.

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Ja, Hilfsbereitschaft ist immer gut. Sich jetzt daran zu stoßen, dass womöglich die falschen Argumente Hilfsbereitschaft und Empathie befördern, das könnte man angesichts derart fürchterlicher Umstände wie jener in der Ukraine als Neben- oder gar Luxusproblem abtun. So einfach ist das aber nicht, denn gerade jetzt darf es nicht zu einem Lotteriespiel werden, wer Hilfe bekommt und wer nicht. Ob man weiß ist oder nicht. Ob man "mannhaft" sein Land verteidigen will oder nicht – oder ob man aus einem ferneren Krisengebiet kommt oder einem, das uns nah ist.

So berichteten etwa südafrikanische Studierende, dass sie von Beamt:innen an ihrer Flucht aus der Ukraine gehindert wurden.

Ob derartiges derzeit an diesen Grenzen oft vorkommt, das konnten Amnesty International, Caritas oder UNHCR noch nicht klären. Wer allerdings derzeit die aktuellen Debatten und Wortmeldungen in sozialen Medien verfolgt, muss wohl unmittelbar auf Rassismus schließen. Denn dort gibt es sehr genaue Vorstellungen davon, wie Geflüchtete sein sollten.

Das zeigt sich etwa in Wortmeldungen und Bildern über "gute" und "schlechte" Flüchtlinge, bei denen die Hautfarbe ein Aspekt, wenn auch nicht der einzige ist. So wird etwa derzeit immer wieder Lob geäußert, dass die Ukrainer:innen wüssten, was zu tun sei: dass die Männer im Land blieben, es verteidigten, während vorwiegend Frauen und Kinder flüchten würden. Bilder von Schlauchbooten, aus denen männliche syrische oder afghanische Geflüchtete steigen, werden in sozialen Medien neben solche gestellt, in denen nur Frauen mit schwerem Gepäck und ihren Kindern an der Hand zu sehen sind. So will man Bilder von "guten Geflüchteten" schaffen, die man akzeptieren könne und denen man helfen wolle – während auf der anderen Seite die anderen, die bösen Flüchtlinge stünden, die Männer, die sich vor einem Krieg "drücken" wollten.

Es sollten also bitte flüchtende Frauen und patriotische Männer sein. Seltsamerweise steckt in genau diesen Vorstellungen vom "guten Flüchtling" auch ein großer Brocken Patriarchat. Die Männer sollten gefälligst ihr Land verteidigen und nicht davonlaufen. Dabei sind das doch genau jene kruden Vorstellungen von "Heldentum", "Männlichkeit", "Wehrhaftigkeit" oder "Ehre", von denen Männer wie Wladimir Putin durchdrungen sind und die entlang dieser patriarchalen Werte die Welt terrorisieren.

Und es gibt offenbar noch weitere Kategorien, für wen man Empathie empfinden kann und für wen nicht. Wer weiß, im Westen lebend, mittelständisch, und, ach ja, "zivilisiert" ist, hat offenbar die besseren Chancen auf Mitgefühl.

Ja, das ist dann freilich ganz was anderes. Erschütternd, weil so nah. Erschreckend, weil in Europa, entsetzlich, weil es Menschen trifft, die "wie wir" sind.

Hinter dem derzeit vielerorts geäußerten Impuls "Das könnten wir sein!" steckt ein Menschenbild, das unterscheidet, wer Hilfe verdient und wer nicht. Oder anders gesagt: wer als Mensch anerkannt wird und wer nicht.

Menschen, die in Sicherheit und in wohliger Wärme sitzen und die sich nichts dabei denken, es großartig vor sich herzutragen, dass es ja – um Himmels willen! – "sie selbst sein könnten", und nur darin das Drama sehen: Deren Hilfsbereitschaft ist wirklich eine verdammt prekäre Sache. (Beate Hausbichler, 2.3.2022)