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Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Weg nach Polen am Wochenende. Vor allem Schwarze sollen es beim Überqueren der Grenzen schwer haben.

Foto: AP Photo/Petr David Josek

Auch der Krieg macht nicht alle Menschen gleich – wie afrikanische Studierende derzeit in der Ukraine erleben müssen. Auf ihrer Flucht aus dem umkämpften Staat seien sie massiver rassistischer Diskriminierung ausgesetzt, berichten nichtweiße Studentinnen und Studenten Journalisten und in sozialen Netzwerken. Ukrainische Sicherheitskräfte hinderten sie am Besteigen von Zügen oder Bussen; nach langen Fußmärschen in klirrender Kälte an Grenzübergängen angelangt, würden sie dort oft mit Gewalt zurückgehalten, während weiße Flüchtlinge passieren könnten.

DER STANDARD

Auf Twitter sind Szenen vom Bahnhof der westukrainischen Provinzstadt Lwiw zu sehen, auf dem sich vor den Türen zu Eisenbahnwagons Trauben von Menschen gebildet haben. Während ukrainischen Flüchtlingen der Einstieg in den Zug gewährt wird, werden Menschen anderer Herkunft abgewiesen. Mehrere junge Betroffene werden sogar wieder aus einem Wagon hinauskomplimentiert. Ein nigerianischer Hochschulabgänger namens Simeon erzählt der Deutschen Welle, er sei von der heftig umkämpften Industriestadt Charkiw in das 1.000 Kilometer entfernte Lwiw gekommen: Weil er dort keinen Bus oder Zug besteigen konnte, habe er die 75 Kilometer zur polnischen Grenze zu Fuß zurücklegen müssen. Dort habe ihm ein ukrainischer Grenzbeamter mitgeteilt, dass Ausländer hier nicht abgefertigt würden.

Die nigerianische Medizinstudentin Ruqqaya kam ihrem Bericht gegenüber der BBC zufolge nach einem elfstündigen Fußmarsch am Grenzübergang von Medyka an, wo zahlreiche afrikanische Studierende bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Freien schlafen mussten. Während "Busladungen voller Weißer" abgefertigt worden seien, habe sie bis in die frühen Morgenstunden gewartet. Anderen Berichten zufolge setzten ukrainische Grenzbeamte sogar Schlagstöcke ein, um nichtweiße Flüchtlinge zurückzutreiben. "Sie waren äußert brutal", erzählte ein indischer Medizinstudent dem US-Sender CNN: "Ich sah völlig unterkühlte Menschen bewusstlos zusammenbrechen."

"Riesiger Stress" der Grenzbeamten

Von den Berichten zeigt sich auch die Afrikanische Union (AU) alarmiert. "Sollten Afrikaner tatsächlich anders behandelt werden, ist das auf schockierende Weise rassistisch und ein Bruch des internationalen Rechts", heißt es in einer Stellungnahme des Staatenbunds. Ein Sprecher der ukrainischen Grenzbehörde bestritt gegenüber CNN die rassistische Natur der Vorfälle. Die Beamten stünden angesichts der Flüchtlingsströme unter "riesigem Stress", so Andriy Demchenko: "Mit Rassismus hat das nichts zu tun."

Bis zur russischen Invasion studierten 75.000 Ausländer in der Ukraine – fast ein Viertel von ihnen stammen aus Afrika, vor allem aus Marokko (rund 8.000), Nigeria (4.000) und Ägypten (3.500). Einen guten Ruf genoss das osteuropäische Land vor allem unter Studierenden der Medizin und des Ingenieurswesens: Außerdem waren die Kosten erschwinglich. Vereinzelt kam es auch zu Klagen über das Verhalten polnischer und ungarischer Grenzbeamter gegenüber afrikanischen Flüchtlingen. Beide Staaten werden von konservativen und ausländerfeindlichen Regierungen geführt. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 2.3.2022)