Die Rohre der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 sind längst vergraben, ob jemals Gas fließen wird, steht in den Sternen.

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Der Nord Stream 2 AG mit Sitz im Schweizer Steuerparadies Zug, Betreiberin der umstrittenen Ostseepipeline, war ein kurzes Leben beschieden. 2015 gegründet, hat sie am Dienstag offenbar Insolvenz angemeldet. Die Gasleitung selbst, deren Bau von der heimischen OMV mitfinanziert worden ist, konnte gar nie ausspielen, was sie kann. Sie hat keine Genehmigung zum Gastransport.

Frage: Wieso "offenbar" Insolvenz angemeldet?

Antwort: Weil sich Repräsentanten der Betreibergesellschaft weiter geheimnisvoll geben. "Wir können Medienberichte nicht bestätigen, wonach Nord Stream 2 Konkurs angemeldet hat", war noch Mittwochnachmittag auf der Website zu lesen. Das Unternehmen habe "die lokalen Behörden lediglich darüber informiert, dass es aufgrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen, die zur Verhängung von US-Sanktionen gegen das Unternehmen geführt haben, Verträge mit Mitarbeitern kündigen musste".

Frage: Auf wen beziehen sich die Medien?

Antwort: Auf Silvia Thalmann-Gut, Regierungsrätin des Kantons Zug. Diese hat am Dienstag im Schweizer Rundfunk gesagt: "Wir sind heute informiert worden, dass das Unternehmen nicht weitergeführt werden kann." Die Nord Stream 2 AG sei zahlungsunfähig und komme wegen der Sanktionen nicht an Liquidität. Den 106 Mitarbeitern sei gekündigt worden.

Frage: Was hat das mit der OMV zu tun?

Antwort: Österreichs größter Industriekonzern hat mit vier anderen Energiekonzernen den Bau der Gazprom-Pipeline, die Gas aus Russland nach Deutschland bringen sollte, mitfinanziert. Insgesamt geht es für die OMV um 729 Millionen Euro, die nun möglicherweise verloren sind. "Wir brauchen eine gesicherte Faktenbasis, um zu entscheiden", sagte ein OMV-Sprecher dem STANDARD. Die OMV hat bis vor kurzem keinen Abschreibungsbedarf gesehen; im Vorjahr gab es erste Rückflüsse durch Zinszahlungen.

Frage: Was passiert bei einer Insolvenz?

Antwort: Der Insolvenzverwalter verschafft sich einen Überblick über die Vermögenswerte und wird sie bestmöglich verwerten. Was übrig bleibt, wird auf die Gläubiger aufgeteilt.

Frage: Kann die OMV doch noch auf Geld hoffen?

Antwort: Das hängt laut Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, davon ab, in welcher Form sich die OMV bei Nord Stream 2 beteiligt hat. Handelt es sich um ein nachrangiges Darlehen, was bei solchen Projekten wahrscheinlich ist, sieht es schlecht aus. Dann werden zuerst alle anderen Gläubiger bedient.

Frage: Wie verhalten sich andere Finanziers?

Antwort: Shell beispielsweise hat entschieden, sich aus Nord Stream 2 zurückzuziehen, wohl auch wegen der von den USA verhängten Sanktionen gegen die Gazprom-Tochter. Mittwochabend hat dann auch die mehrheitlich dem Chemiekonzern BASF gehörende Wintershall DEA bekannt gegeben, ihren Anteil an dem Projekt vollständig abzuschreiben.

Frage: Was passiert mit der Pipeline?

Antwort: Sie könnte theoretisch irgendwann doch noch in Betrieb gehen, wenn sich in der Nach-Putin-Zeit die Lage beruhigen sollte.

Frage: Könnten die Russland-Sanktionen die OMV noch anderswo einholen?

Antwort: Ja, und zwar über ihre Tochter Borealis, die das Stickstoff- und Düngemittelgeschäft an Eurochem verkaufen will. Eurochem hat vor wenigen Wochen ein verbindliches Angebot über 455 Millionen Euro abgegeben. Der Konzern ist zwar seit 2015 im Schweizer Kanton Zug beheimatet, hat seine Hauptaktivitäten aber in Russland. Der Besitzer ist Andrej Melnitschenko, ein Russe. Er zählt zu den zehn reichsten Männern des Landes. (Günther Strobl, 2.3.2022)