Weniger als ein Jahr war Wolfgang Mückstein im Amt.

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Der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch war auch im Verhandlungsteam für die türkis-grüne Bundesregierung.

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Die Pandemie geht ins dritte Jahr. Und Österreich bekommt den dritten Gesundheitsminister, der sie managen muss. Denn am Donnerstag verkündete Wolfgang Mückstein (Grüne) seinen Rücktritt. Es sei ein Jahr gewesen, "in dem wir viel weitergebracht haben, aber auch ein Jahr, in dem uns die Pandemie immer wieder auf harte Proben gestellt hat", fasste er seine genau genommen nicht einmal elf Monate lange Amtszeit als Gesundheitsminister zusammen. Um dann, wenige Minuten später, auf die triftigsten Beweggründe für seine Entscheidung zu sprechen zu kommen: "Nicht zu unterschätzen in diesem Job ist die persönliche Belastung", sagte Mückstein, seine Stimme blieb dabei gefasst.

Man könne diesen Job "nur ausüben, wenn man jeden Tag 100 Prozent geben kann", sagte der 47-Jährige. "In den letzten Wochen habe ich zunehmend bemerkt, dass ich diese 100 Prozent nicht mehr immer leisten kann." Damit könne er seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. "Extrem belastend für mich und meine Familie waren auch die ständigen Bedrohungen", sagte der Vater zweier Töchter, der von deren Mutter getrennt lebt, weiter. "Es nagt an einem, wenn die eigene Wohnung rund um die Uhr von der Polizei bewacht werden muss, wenn man das Haus nur mit Personenschutz verlassen kann – und das über mehrere Monate. Das will man nicht lange, und das hält man nicht lange aus. Damit ist für mich heute der Tag gekommen, an dem ich das Amt als Gesundheits- und Sozialminister zurücklege."

Etwaigen Mutmaßungen, ihm sei manche Diskussion zu hart geführt worden, trat Mückstein mit den Worten entgegen, dass "harte Verhandlungen mit den Stakeholdern in Ordnung" seien. Am Ende habe "uns immer das Verständnis für den demokratischen Interessenausgleich geeint", schilderte der Arzt, der sich unter anderem auch bei Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) für die Zusammenarbeit bedankte.

Rauch vorgeschlagen

Als Mückstein am 19. April 2021 das Amt als Gesundheitsminister antrat, titelte eine Zeitung, er übernehme den "härtesten Job der Republik". Diesen Job soll nun ein anderer übernehmen: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat den Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch Donnerstagabend im Grünen-Bundesvorstand als Nachfolger vorgeschlagen. Diesen Vorschlag wolle er am Freitag beim erweiterten Bundesvorstand einbringen, teilte Kogler mit, der Mückstein "aus ganzem Herzen für seinen Einsatz" dankte. Rauch soll nicht sonderlich begeistert vom Ruf aus Wien gewesen sein, berichtete die "Kronen Zeitung", die am Donnerstag auch den bevorstehenden Rücktritt Mücksteins als erstes Medium meldete. Rauch habe sich nach einer Bedenkzeit aber doch gebeugt und als Freundschaftsdienst an Kogler zugesagt.

Mückstein bei der siebenminütigen Verkündigung seines Rücktritts im Gesundheitsministerium Donnerstagnachmittag.
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Mückstein kündigte an, ein gut aufgestelltes Haus zu übergeben und im Amt zu bleiben, bis sein Nachfolger die Amtsgeschäfte weiterführen könne. Dann verließ der Minister – wieder einmal in dunklen Sneakers, die sein Markenzeichen waren – den Raum, ohne eine Frage zu beantworten.

Mückstein war vor dem Amtsantritt in der Regierung als niedergelassener Arzt in einer von ihm mitgegründeten Gruppen- und dann Primärversorgungspraxis in Wien-Mariahilf tätig gewesen. Er hatte sich bei der Entscheidung für das Regierungsamt ein Rückkehrrecht ausbedungen. Ob er davon Gebrauch machen wird, war am Donnerstag nicht zu erfahren. Sein Vorgänger Rudolf Anschober hatte sein Amt nach mehr als einem Jahr Corona-Krise aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt. Anschober sagte damals über diese Zeit, dass er sich "sehr oft sehr allein gefühlt" habe, was viele so deuteten, dass er beim Krisenmanagement vom Koalitionspartner ÖVP im Stich gelassen worden sei.

Wenig politische Erfahrungen

Vor seinem Amtsantritt hatte Mückstein noch vergleichsweise wenige Erfahrungen auf dem politischen Parkett gesammelt. So war er lediglich 2019 bei den Koalitionsverhandlungen über die Sozial- und Gesundheitsagenden an der Seite von Vizekanzler Werner Kogler gesessen. Anschober hatte ihn immer wieder als Berater hinzugezogen. Zuvor hatte er zwölf Jahre Funktionen in der Ärztekammer bekleidet, wo er der Fraktion der grünen Ärzte angehörte.

Bemerkenswert ist der Zeitpunkt für Mücksteins Rückzug. Immerhin fallen am kommenden Samstag weitgehend alle Corona-Maßnahmen. Und das bei zwar stabilen Zahlen im grünen Bereich auf Corona-Intensivstationen, aber einer immer höher werdenden Belastung im Normalbereich. Am Mittwoch wurden fast 40.000 Corona-Neuinfektionen verzeichnet. Mückstein soll mit dem weitgehenden Aus der Beschränkungen nicht glücklich sein. Am Donnerstag sagte er in seiner siebenminütigen Rücktrittsrede, er sei stolz, dass es gelungen sei, im Pandemiemanagement stets eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Impfzahlen stagnieren

Mückstein gab auch an, dass die Impfung ein Erfolg sei. Sieben von zehn Österreichern seien geimpft. Allerdings stagnieren die Corona-Impfzahlen seit geraumer Zeit – trotz der Anfang Februar gestarteten Impfkampagne, die von Gecko vorangetrieben werden sollte. So lag der Wochenwert österreichweit vergangene Woche mit 37.000 Impfungen gerade einmal so hoch wie er im Jänner teils an einzelnen Tagen gewesen war.

Mücksteins Rücktritt kommt auch nur wenige Tage vor einer Entscheidung darüber, wie es mit der Impfpflicht weitergeht. Das Gesetz sieht vor, ab Mitte März bei Verstößen zu strafen. Das hatte Mückstein Mitte Februar auch in einem Ö1-Interview so dargestellt – "wenn man keinen Impfnachweis vorlegen kann, dann wird gestraft", hatte er klargemacht. Und noch nachgelegt: "Und dabei bleibt es, das ist gültige Gesetzeslage." Um dann am nächsten Tag klarzustellen, dass Empfehlungen der Expertenkommission daran noch etwas ändern könnten. Diese Kommission tritt am 8. März zusammen.

Im Sommer hatte Mückstein eine generelle Impfpflicht im STANDARD-Interview noch abgelehnt: "Ich bin gegen eine allgemeine Impfpflicht. Was ist die Konsequenz? Sperren wir die Leute sonst ein? Kriegen sie hohe Strafen? Davon halte ich einfach nichts." Zuletzt war er eine gänzlich andere Linie gefahren. Innerhalb der Grünen formierte sich eine Protestinitiative gegen die Impfpflicht. Die Elga GmbH musste zudem technische Probleme zugeben, die Sozialpartner übten heftige Kritik. Und dann distanzierte sich auch ein schwarzes Landesoberhaupt nach dem anderen von dem Gesetz – obwohl sie es gewesen waren, die es ursprünglich hatten einführen wollen.

Großbaustelle Pflege

Neben den offenen Fragen bei der Bewältigung der Pandemie hinterlässt Mückstein freilich noch viele andere Baustellen in seinem Ressort, allen voran den drohenden Kollaps des Pflegesystems, dem für die Systemerhaltung bis 2030 etwa 75.000 zusätzliche Pflegekräfte fehlen werden. Wobei Mückstein in diesem Bereich die Einrichtung eines Ausbildungsfonds am Donnerstag als einen seiner Erfolge nannte. Auch der Startschuss für das Projekt der Community-Nurses, die regional organisiert beratend in Sachen Pflege tätig sein sollen, war eines der – wenigen – Projekte abseits der Pandemiebekämpfung, die Mückstein auf den Weg brachte.

Die weitere Bewältigung der Folgen der Pandemie, von Long Covid bis zu psychischen Folgen, insbesondere des Mangels an Kinder- und Jugendpsychiatern, obliegt dann dem nächsten Minister. Erste Maßnahmen setzte Mückstein, aber es wird weitere brauchen. Auch mehrere Pakete zur Absicherung von armutsgefährdeten Menschen durch die Pandemie tragen Mücksteins Handschrift. (Gudrun Springer, David Krutzler, 3.3.2022)