Johannes Rauch löst Wolfgang Mückstein als Gesundheits- und Sozialminister ab.

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Eigentlich hatte sich Johannes Rauch schon auf seine Pension gefreut. Der Plan war klar definiert: Zunächst gab er im vergangenen Sommer die Führung der Vorarlberger Grünen nach mehr als 20 Jahren an deren Spitze ab, Landesrat wollte er noch bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 bleiben. Aber wie John Lennon schon einst sang – manchmal kommt bei all den Plänen eben das Leben dazwischen: Life is what happens while you're busy making other plans.

Kurz nachdem Wolfgang Mückstein seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, ließ Grünen-Chef Werner Kogler auf Twitter wissen, dass er Rauch "als bestgeeigneten Nachfolger" am Freitag beim erweiterten Bundesvorstand vorschlagen werde.

Im Falle von Rauch dürfte es eine Mischung aus Pflichtbewusstsein und einem Freundschaftsdienst an Grünen-Chef Werner Kogler gewesen sein, die ihn zum Wechsel in die Bundespolitik trieb. Wegbegleiter von Rauch fügen hinzu, dass er aber auch jemand ist, der nicht ungern in der ersten Reihe steht. Der leidenschaftliche Radfahrer wird außerdem als Pragmatiker und zäher Verhandler beschrieben.

Sozialisation als Oppositionspolitiker

Begonnen hat die politische Karriere des 62-Jährigen in seiner Heimatgemeinde Rankweil, wo er von 1990 bis 1996 Umweltgemeinderat war. Vor ziemlich genau 22 Jahren kam Rauch dann in den Landtag. Grüner Landessprecher war er bereits ab 1997. Eine Au1szeit gab es aus gesundheitlichen Gründen: 2005 erkrankte Rauch an Darmkrebs und zog sich für ein Jahr zurück.

Mit Ausnahme der ersten Wahl unter seiner Verantwortung – 1999 – konnten die Grünen mit Rauch als Spitzenkandidat jedes Mal dazugewinnen. Die Grünen sind aktuell die zweitstärkste Partei im Ländle. Nach 14 Jahren in der Opposition erfolgte nach der Landtagswahl 2014 der Wechsel in die Landesregierung. Die Koalition zwischen ÖVP und Grünen war ein Novum im Ländle. Im November 2019 kam es zur Neuauflage. Rauch war in beiden Regierungen Landesrat unter anderem für Umwelt, Klimawandel bzw. Klimaschutz und öffentlichen Verkehr.

Dass er als Oppositionspolitiker sozialisiert wurde, habe ihn durchaus geprägt, sagt Rauch. Da habe er vor allem gelernt, dass Zähigkeit und Hartnäckigkeit wirken können. In Regierungsverantwortung könne man aber natürlich viel mehr gestalten, was dem Vater von zwei erwachsenen Töchtern genauso zusagt. Er habe die Politik immer auch als soziale Arbeit empfunden – und umgekehrt.

Sozialarbeiter und Politprofi

Der Vergleich rührt daher, dass Rauch aus diesem Berufsfeld kommt. Bevor er 2004 zum Vollblutpolitiker wurde, arbeitete er zuerst als Bankkaufmann und später als Sozialarbeiter, vor allem in den Bereichen Sozialpsychiatrie, Arbeitslosenbetreuung und Schuldnerberatung. Anders als sein Vorgänger Wolfgang Mückstein bringt Rauch also keine Erfahrung im Gesundheits-, dafür aber Know-how im Sozialbereich mit. Doch auch der Gesundheitsbereich ist Rauch nicht gänzlich fremd, seine Frau – die Vorarlberger SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger – ist praktische Ärztin.

Rauch ist nicht nur ein in der Partei gut vernetztes grünes Urgestein. Er ist – im Gegensatz zu Mückstein – auch Politprofi. Es lohne sich immer, Wert auf das politische Handwerk zu legen, sich in der Tiefe mit bestimmten Materien zu beschäftigen, sagte er vergangenen Sommer im STANDARD-Interview. Nicht nur die Verpackung, sondern auch der Inhalt müsse da sein. Der kontroversielle Austausch mit verschiedensten Interessengruppen sei zwar oft mühselig, und man braucht einen langen Atem. Rauch habe aber gelernt, dass sich das am Ende auch bewähre. Rauch gilt nicht nur als Architekt von Schwarz-Grün in Vorarlberg, er verhandelte auch auf Bundesebene an der Zusammenarbeit mit der ÖVP mit.

Unterschiede zwischen Landes- und Bundesliga

Dass es einen Unterschied zwischen Landes- und Bundesliga gibt, räumt der neue Gesundheits- und Sozialminister allerdings ein: Intensität und Tempo seien viel höher, die Kompromissbereitschaft zwischen allen Parteien auf Landesebene eine bessere. Möglichkeiten für einen Wechsel nach Wien scheint es in der Vergangenheit bereits gegeben zu haben, Rauch lehnte aber stets ab. Das sei spätestens seit seiner Krebserkrankung kein Thema mehr gewesen. "Welchen Preis man mitunter gesundheitlich in der Bundespolitik bezahlen muss, wurde ja unlängst wieder deutlich", sagte er in Hinblick auf den Rücktritt Rudolf Anschobers. Diese Meinung scheint Rauch, der in seiner Freizeit gerne Sport treibt – im Winter etwa Skitouren –, nun geändert zu haben.

Unterschiede zwischen Land und Bund erkennt er auch bei seinem Koalitionspartner, der ÖVP. Während er mit Landeshauptmann Markus Wallner eine konstruktive Zusammenarbeit führt, sparte er in Richtung Bundes-ÖVP selten mit deutlichen Worten. "Was ich auf den Tod nicht ausstehen kann, ist diese Getriebenheit auf Boulevard-Schlagzeilen. Das ist keine Politik. Der Zug, nur klickbasierte Politik zu machen, ist eine Zeitgeisterscheinung", sagte Rauch. Da müsse man dagegenhalten. Inwiefern ihm das auf dem politischen Parkett im Bund gelingen wird, wird sich zeigen. Wie einer seiner Vorgänger zu sagen pflegte: Die nächsten Wochen werden entscheidend sein. (Lara Hagen, 3.3.2022)