Wolfgang Mückstein scheidet nach nur einem Jahr aus der Bundesregierung aus.

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Nicht einmal ein Jahr hat Wolfgang Mückstein ausgehalten. Für die Grünen ist das ein schwerer Schlag, die Regierung als solche wird es verwinden, wieder einmal den Gesundheitsminister auszutauschen. Mückstein hat sich, um das vorsichtig auszudrücken, nicht als unersetzbar erwiesen. Die Grünen müssen sich nachsagen lassen, keine glückliche Hand in der Personalauswahl und keine Standfestigkeit in der Krisenbewältigung zu haben. Das ist in diesem Fall doppelt bitter, da kein anderes Regierungsmitglied – abgesehen vom Kanzler – so wichtig und so gefordert ist wie der Gesundheitsminister (der im Zweitberuf übrigens auch Sozialminister wäre). Wir leben im zweiten Jahr einer Pandemie, die nicht nur unser Leben nachhaltig verändert hat, sondern die bei weitem noch nicht bewältigt ist. Wohin uns diese Reise noch führt, ist ungewiss, aber wir wüssten gerne einen Kapitän an Bord, der seinen Auftrag kennt und sein Geschäft versteht.

Die Parallelen zu Rudolf Anschober, der vor gut einem Jahr als Gesundheitsminister zurückgetreten ist, sind unübersehbar. Da hat sich einer nicht nur in die Erschöpfung gearbeitet, da wurde einer auch politisch aufgerieben. Anschober wie Mückstein. Ja, der Job ist extrem fordernd und anstrengend, da reichen 24 Stunden am Tag oft nicht aus, um das Notwendige zu erledigen. Es ist auch der ständige Widerspruch, der bewältigt werden muss. Nach dem Abgang von Sebastian Kurz als Bundeskanzler haben verstärkt wieder die Landeshauptleute das Ruder übernommen, und die geben nach Lust, Laune und Wahltermin mal ein Hü und mal ein Hott von sich, sind mal überbordend streng, indem sie eine Impfpflicht beschließen, dann wieder gedankenlos locker, indem sie alle Maßnahmen fahrenlassen. Was die Experten sagen, interessiert sie ohnedies nicht allzu sehr.

Nicht auflösbarer Widerspruch

Mückstein selbst ist als Mediziner auch ein Experte. Und als Arzt wäre er vorsichtiger, als er als Politiker sein sollte und durfte, das ist ein Widerspruch, der sich offenbar nicht auflösen ließ. Mit ein Grund, warum Mückstein nach nur knapp einem Jahr zermürbt aufgibt. Dass er mit den jüngsten Beschlüssen zur Lockerung unglücklich war, war ihm deutlich anzumerken, und tatsächlich ist nicht ganz nachvollziehbar, dass Österreich am Samstag die wesentlichen Maßnahmen zum Schutz vor Corona zurückfährt, wenn drei Tage zuvor die zweithöchsten Infektionszahlen seit Ausbruch der Pandemie gemeldet wurden.

Es ist richtig, die Intensivstationen sind nicht voll, aber es sterben nach wie vor Menschen an Corona. Der Regierung gelingt es nicht, wenigstens den Anschein zu erwecken, sie habe die Situation im Griff und man könne sich auf sie verlassen. Dass hier schon wieder ein Gesundheitsminister verbraucht wurde, ist jedenfalls kein beruhigendes Signal.

Mückstein hatte erklärt, er könne die hundert Prozent nicht mehr geben, er könne den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Er führte allerdings auch an, dass die ständigen Bedrohungen an ihm nagten, dass die Notwendigkeit eines Polizeischutzes nicht mehr auszuhalten gewesen sei. Auch das muss uns zu denken geben.

Unterstützung für den Neuen

Die Grünen müssen sich fragen, ob sie alles Notwendige unternommen haben, um Mückstein gut zu unterstützen, von den Ressourcen her, aber auch was das politische Standing betrifft. Die Antwort lautet: nein. Wie auch Anschober hatte Mückstein nicht den notwendigen Rückhalt aus der ÖVP, auch wenn die Konflikte nicht mehr auf offener Bühne ausgetragen wurden, wie das noch unter Kanzler Kurz der Fall war. Die Grünen werden sehr darauf achten müssen, der neuen Schlüsselfigur in der Regierung maximale Unterstützung in jeder Hinsicht angedeihen zu lassen, um den Job gut erledigen zu können. In unser aller Interesse. Und auch die ÖVP wird gut daran tun, dem neuen Gesundheitsminister den Rücken zu stärken, statt ihn wieder zur leichten Beute widriger Umstände werden zu lassen.

Es wäre jedenfalls eine Überlegung wert, das Ressort aufzudröseln und ein zusätzliches Regierungsmitglied als Verstärkung an Bord zu holen. Muss nicht grün, schwarz oder türkis sein, kann auch nur kompetent und unabhängig sein. Die Gelegenheit böte sich: jetzt. Es wäre absolut sinnvoll, das Ressort in ein Gesundheits- und ein Sozialministerium aufzuteilen, um der jeweiligen Ressortspitze die Chance zu geben, sich mit voller Kraft einerseits dem Kampf gegen die Pandemie mit all ihren Umständen zu widmen und andererseits etwa alle Bemühungen auf die dringend notwendige Pflegereform oder die Armutsbekämpfung zu fokussieren. Zu tun gäbe es mehr als genug. (Michael Völker, 3.3.2022)