Wer als Letzter die Mittagssonne sieht, hat gewonnen. Das Leben kehrt in die Clubs zurück.

Foto: Das Werk

Am Samstag, dem 5. März, wird in Österreich die Nachtgastronomie wieder öffnen. Nach zwei Jahren Zwangspause und vier Lockdowns durfte sie seit März 2020 während der Pandemie insgesamt nur vier Monate und drei Wochen geöffnet halten. Die Pandemie scheint angesichts des derzeitigen brutalen Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine aktuell ins Hintertreffen geraten zu sein, sprich: Sie ist anscheinend offiziell vorbei.

Zwar verzeichnet man aktuell mit 30 bis 40 tausend täglich neu infizierten Österreicherinnen Rekordwerte bei den Infektionen. Allerdings scheint es aus wahltaktischen Gründen in den Bundesländern unabdingbar, dass die finanziell wie ideell über die vergangenen zwei Jahre arg geschundene Nachtgastronomie nun kurz vor dem traditionellen Sommerloch doch wieder aufsperrt. Vielleicht auch nur kurz.

Party, Party, Party

Party, Party, Party? Fakt ist: Kommenden Samstag gehen die Hütten zwischen Après-Ski-Loch in Ischgl, Branntweiner am Wiener Gürtel, After-Work-Clubbing für Reich und Schnösel sowie grindiger Underground-Winde allesamt wieder auf. Die Sperrstunde mit aktuell 24 Uhr wird fallen. Mit der Ausnahme von Wien, das weiterhin tapfer an der 2G-Regel festhält, fallen in Österreich trotz vermeintlicher Impfpflicht ab dem Wochenende im Nachtleben sämtliche Vorschriften. Unter dem Motto "Für immer nie daheim" sollte das in der Bundeshauptstadt mit der weiterhin geltenden strengen Ausgehregel 2G für vernunftbegabte junge Menschen, die ihr Sozialleben am Wochenende nicht auf Demonstrationen mit skeptischer Klangschale und faschistischer Wiederbetätigung beschränken wollen, aber auch kein großes Problem darstellen.

Die eine große Frage drängt sich auf: Darf man in Zeiten einer anhaltenden und keineswegs eingedämmten Seuche und eines für nicht möglich gehaltenen Krieges nur wenige Autostunden entfernt von Österreich eigentlich feiern gehen und Spaß haben?! Immerhin haben wir während der zwei vergangenen Jahre gelernt, dass die Scharfrichterinnen in Social Media auch ohne Studium der Moralphilosophie darauf geeicht sind, Pech, Schwefel und ewige Verdammnis über die weniger sittlich gefestigten Bibelbrüder auf den illegalen Corona-Partys dieses Landes zu gießen.

Das halbe Leben

Die kurze Antwort lautet: Ja, unbedingt! Die Welt, die immer schon am Abgrund steht, braucht mehr Feierei! Sie macht die Menschen glücklich. Party beruhigt. Sie verhindert als Ausgleichssport zum Alltag im besten Fall häusliche und auswärtige Gewalt (okay, auch das Gegenteil kann der Fall sein, aber dann ist der Alltag vorher daran schuld). Wer tanzt, drückt jedenfalls nicht den roten Knopf. Das ist wissenschaftlich erwiesen.

Die jungen Leute haben übrigens mittlerweile zwei Jahre ihres Lebens darauf verzichten müssen, in die Clubs und Discos zu gehen. Machen wir ein wenig auf Drama: Sie haben sich im regulären Nachtleben weder sozial noch sexuell noch mit Freizeitchemie ausprobieren und erkunden oder verlieben und wieder verlieren können. Zwei Jahre sind für ältere Menschen die Spanne zwischen zwei Begräbnissen, einer Hüftoperation oder Urlaub in Griechenland. Für die jungen Leute bedeuten 24 Monate gefühlt das halbe Leben! Das Nachtleben ist der traditionelle Freiraum der Gesellschaft. Die alten Saufbrüder mögen tagein, tagaus ihr Wirtshaus haben. Die Jungen aber hätten es schon auch im Sinne eines emotionalen Entlastungsgerinnes gern, wenn der Alltag zumindest am Wochenende bis zum Sonnenaufgang – und sehr gern auch länger – Pause macht.

Vom Carport in die Disco

Angesichts der anstehenden Öffnungen der Clubs und Bars bis in den nächsten Tag stellt sich allerdings noch eine weitere Frage. Speziell in einer Großstadt wie Wien mit über 600 Nachtlokalen und 90 Clubs und "Diskotheken" dürfte es sehr wahrscheinlich sein, dass nicht alle Betriebe bis zum Jahresende 2022 bestehen bleiben können und werden. Die letzten beiden Sommer haben bekanntlich das Geschehen im ländlichen Raum nicht nur auf Tankstellen und in die Garagen und Carports verlagert. In den Städten haben sich die Menschen seit 2020 auch den öffentlichen Raum in Parks, auf Plätzen oder in Wien am Donaukanal zurückerobert.

Ob die Leute jetzt bei der Öffnung zurück in die Clubs strömen werden, bleibt abzuwarten. Die Pandemie ist da, der Krieg geht allen nahe. Zudem laufen Ende März die staatlichen Hilfsgelder aus. Der Sommer und sein traditionelles Loch werden schwierig werden. Der Herbst entscheidet über Leben und Tod. Immerhin haben ja auch längst die Wohnungspartys Saison. Über Keller und Bunker müssen wir dann hoffentlich nie verhandeln. (Christian Schachinger, 4.3.2022)