Die österreichische Verwaltung hat ein riesiges Problem: die Art und Weise, wie sie Aufträge vergibt. Durch die Kenntnis über mehrere "Schwachstellen", wie es die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nennt, war die frühere Familienministerin Sophie Karmasin offenbar in der Lage, gleich mehrere äußerst fragwürdige und mutmaßlich kriminelle Methoden zu etablieren, um an Steuergeld zu kommen. Sie soll nicht nur als Ministerin Aufträge an ihre frühere Assistentin vermittelt und dabei mitkassiert haben, sondern diese nach ihrer Regierungstätigkeit auch zum Legen von Scheinangeboten gedrängt haben, um selbst als beste Anbieterin dazustehen. Belohnt habe Karmasin B. dann mit Subaufträgen, heißt es in Ermittlungsakten.

Sophie Karmasin soll als Familienministerin Aufträge an ihre frühere Assistentin vermittelt und dabei mitkassiert haben.
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Wenn sich die Verdachtslage bewahrheitet, steckt dahinter eine große kriminelle Energie. Allerdings kann jemand ein System nur austricksen, wenn Lücken bestehen – und die gibt es im Vergaberecht zuhauf. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ministerien für fast alle Parteien, die jeweils am Zug sind, eine Geldverteilungsmaschinerie für befreundete Unternehmen darstellen. Vor allem Werbeagenturen und Marktforscher, aber auch große Anwaltskanzleien profitieren davon. Natürlich nicht alle, viele leisten redliche Arbeit. Aber doch zu viele, um die Schwachstellen weiterhin zu ignorieren.

Einen großen Effekt sowohl bei der Aufklärung als auch bei der Prävention hätte die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wer wann welche Studien oder andere Leistungen bestellt hat. Auch der Inhalt ist zu veröffentlichen, immerhin wird ja mit Steuergeld bezahlt. Außerdem muss die Grenze für freihändige Vergaben wieder gesenkt werden, und zwar von 100.000 Euro auf höchstens 40.000 Euro wie früher – oder noch weniger. Gerade in diesem Bereich wird viel Schindluder getrieben, und mehrere Aufträge knapp unter 100.000 Euro können sich rasch summieren. Aber auch bei freihändigen Vergaben müssen Ministerien besser hinschauen und klar erkunden, wer denn die anderen Anbieter sind – um nicht auf Scheinangebote hereinzufallen wie das Sportministerium im Fall Karmasin.

Dem U-Ausschuss würde es gut anstehen, rasch diesen Ermittlungskomplex zu bearbeiten und dann eine Reform des Vergaberechts anzustoßen. Involvierte Beamtinnen und Beamte als Auskunftspersonen anzuhören wäre sinnvoller als ein Spektakel mit Kanzler, Peter Pilz und Superreichen. (Fabian Schmid, 3.3.2022)