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Mit seiner Erdölförderung verdient Wladimir Putin derzeit besonders gut, weil der Weltmarktpreis gestiegen ist.

Foto: Reuters / Vasily Fedosenko

Mit den schärfsten Wirtschaftssanktionen aller Zeiten will die westliche Staatengemeinschaft die russische Wirtschaft in die Knie zwingen und so ein Ende des Kriegs gegen die Ukraine erreichen. Doch so wirksam die Maßnahmen auch sind, zweifeln führende europäische Ökonomen daran, dass die Sanktionen ihr Ziel erreichen werden. Die Achillesferse sind die gewaltigen Öl- und Gasexporte, mit denen sich Russland finanziell über Wasser halten kann, hieß es bei einer Diskussion des Brüsseler Bruegel-Instituts, die per Livestream übertragen wurde.

"Wir schicken Wladimir Putin fast eine Milliarde Dollar am Tag, um sein Öl und Gas zu kaufen", sagt Luis Garicano, ein spanischer Ökonom und liberaler Abgeordneter im EU-Parlament. "Damit neutralisieren wir die Wirkung der Sanktionen."

Löchriges Swift-Embargo

Europas Abhängigkeit vom russischen Gas sei der Grund, warum der Ausschluss aus dem internationalen Swift-Zahlungssystem nicht alle russischen Banken erfasst hat, sagt Garicano. Und das würde auch die Bemühungen, der russischen Zentralbank die Verwendung ihrer Auslandsreserven in Dollar und Euro zu verwehren, schwächen, fügt der französische Ökonom Jean Pisani-Ferry hinzu. "Wenn wir den Russen sagen, wir zahlen euch, aber ihr könnt das Geld nicht verwenden, dann werden sie uns nichts verkaufen. Wenn wir es ihnen jedoch erlauben, dann untergraben wir die Sanktionen."

Pisani-Ferry glaubt allerdings, dass beim Erdgas Europa am längeren Hebel sitzen könnte, wenn es gelingt, die Lieferungen aus Russland einzuschränken. Denn Moskau könne das Gas nicht so schnell anderswo verkaufen, weil es dafür neue Pipelines bauen müsste. "Es gibt hier eine Asymmetrie, und die arbeitet zugunsten Europas", sagt der ehemalige Direktor von Bruegel.

Für Öl gibt es immer Käufer

Doch Russland mache den Großteil seines Geschäfts nicht mit Gas, sondern mit Öl, und dies könne es immer auf dem Weltmarkt verkaufen, betont der jetzige Bruegel-Chef Guntram Wolff. "Für Öl wird es immer Käufer geben, außer wir stoppen die Tankschiffe", sagt er.

Für die EU-Staaten sei es schwierig, den Gasverbrauch einzuschränken oder kurzfristig neue Lieferanten zu finden, warnt Wolff. Und selbst wenn das gelinge, stiege dann die Nachfrage nach Öl, was wiederum den Ölpreis in die Höhe triebe. Das könnte Verluste beim Gasgeschäft kompensieren.

Putins "großartige Krise"

"Bisher hat Putin eine großartige Krise", sagt Wolff mit Hinweis auf die steigenden Energiepreise. Dem widerspricht Garicano – aber nur zum Teil: "Es wird schlimm werden für Russland, aber nicht so schlimm, dass die Wirtschaft kollabiert. Und ohne eine wirtschaftliche Katastrophe wird sich Putin nicht zurückziehen." Ein Indiz dafür sei der Rubelkurs, der sich an den Devisenmärkten bereits wieder stabilisiert habe.

Hart werde die russische Wirtschaft durch Exportverbote für Hightech-Ausrüstung und vor allem für Ersatzteile etwa für Passagierflugzeuge getroffen werden, sind die Ökonomen überzeugt. Pisani-Ferry rechnet damit, dass Russland eine Art Kriegswirtschaft mit starker staatlicher Kontrolle einführt. Garicano sieht etwa ein Ende der russischen Luftfahrt voraus, weil die Maschinen nicht mehr gewartet werden können. "Sie rutschen in eine Art Subsistenzwirtschaft." (Eric Frey, 4.3.2022)