Der Schauspieler, Regisseur und Kabarettist Otto Schenk lebt mit seiner Frau in einem umgebauten Haus am Irrsee im Salzkammergut. Die ideale Wohnfläche, sagt er, ist die Summe von adäquaten Platzln.

"Mir ist wichtig, dass ein Haus, dass eine Wohnung aus Platzln besteht. Je größer die Wohnfläche, desto mehr Platzln hat man zu gründen. Es nützt nix, wenn etwas modern oder klassisch oder anderweitig hochästhetisch eingerichtet ist, aber es keine Platzln zum Verweilen gibt. Und als hochbejährter 92-Jähriger darf ich Ihnen verraten: Die benötigte Anzahl an stimmungsgemäß adäquaten und funktionell wichtigen Platzln nimmt im Alter zu.

Otto Schenk in seinem Haus, der umgebauten Jausenstation eines Campingplatzes.
Foto: Dietmar Tollerian

Das Haus hier hat meine Frau Renée Michaelis nach meinem Wunsch und unseren gemeinsamen Wichtigkeiten geplant und gebaut. Sie hatte damals, als sie noch gesünder war als jetzt, die Fähigkeit, mich wie ein Röntgenapparat zu durchschauen, meine Sehnsüchte vorauszuahnen und meinen Geschmack zu bestimmen. Die wichtigste Erkenntnis dieses Röntgenbildes war, dass wir beide Nestmenschen und keine Höhlenmenschen sind. Da, wo wir wohnen, wollen wir nisten und genießen – und nicht uns zurückziehen und verkriechen vor der Welt. Irgendwie ist das ein sehr weibliches Haus, finden Sie nicht? Es ist nicht wirklich mannsmäßig. Drum passt’s so gut zu mir.

"Alles darf hier sein, was sich dem bereits Seienden unterordnet und
nicht stört", sagt Otto Schenk über sein Zuhause.
Fotos: Dietmar Tollerian

Gesucht hatten wir eigentlich nach einem Haus an der Alten Donau in Wien. Gefunden haben wir schließlich dieses hier, durch die spürhundähnliche, hunderte Kilometer weit reichende Fähigkeit meiner Frau, an einem schönen See im Salzkammergut – und zwar am Ort eines sich in Auflösung befindlichen Camping-Platzls. Wir wohnen in der ehemaligen Jausenstation mit viel Linoleum, Duschzentrum und Pissoirs. Es war eine kluge Entscheidung, das Bauwerk umzubauen. Eigentlich hat es sich mehr angefühlt, als hätten wir es geschlachtet. Jetzt ist es ein umgebauter Schlachthof mit einem Vordach rundherum, weil ein Freund mir geraten hatte, man solle ein Haus so bauen, dass man es bei Regen umrunden kann, ohne dabei nass zu werden.

Renée hat von innen nach außen gebaut. Das Wohnzimmergeländer hinter mir haben wir in Berlin gefunden, die Kirchenbank stammt aus einer Kirche, sonst müsste sie ja anders heißen, die Fenster sind jenen im Schloss Aigen nachempfunden, das Sofa ist von Adolf Loos, die Uhr vom Flohmarkt. Alles darf hier sein, was sich dem bereits Seienden unterordnet und nicht stört.

Schenks Ehefrau Renée Michaelis hat das Haus von innen nach außen gebaut.
Foto: Dietmar Tollerian

Und dann war da die Idee mit dem vielen, vielen Spannteppich im ganzen Haus, mit langen, langen Teppichhaaren. Der Teppich hat zwei gute Eigenschaften – eine bewusst geplante und eine unbewusst passierte. Erstens liegt hier so viel Teppich, weil ich den mechanischen Lärm von lebendigen Körpern nicht ertrage; das Knirschen von Zähnen und Prothesen, das Klappern von Bleistiftabsätzen und Schritte im Raum. Und zweitens hat sich der Spannteppich im Laufe der Zeit als Dämpfer und Verhinderer von Verletzungen erwiesen. Da können S’ stürzen und am Kopf fallen! Es passiert nix. Unsere Freunde, unzählige Male hing’schmissen, sie leben noch alle.

Alles in allem ist das ein sehr faules Haus. Ich bin ja, muss man wissen, von Natur aus ein fauler Mensch, der in seinem Denken und Schlafen von nichts und niemandem gestört werden will. Jedoch wurde ich durch irgendein Schicksal zu einem grauenhaften Fleiß verurteilt, der mich auch an die Met in New York gebracht hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich das zustande bringe. Meine mir zur Verfügung stehenden Werkzeuge nämlich waren stets ungeschickter als mein Wünschen.

"Alles in allem ist das ein sehr faules Haus", sagt Otto Schenk.
Foto: Dietmar Tollerian

Ein Leben lang war ich ein hart arbeitender Mensch, habe eine Riesenkarriere gemacht, ich weiß nicht, wieso. Heute bin ich ein Träumer von alten Beziehungen und ein Warmhalter von überlebenden Freundschaften. Ich freue mich über jedes Hallo. Manche machen, wenn sie am Weg zwischen Wien, Salzburg und München sind, einen Streifer zum Schenk – nachschauen, ob er eh noch lebt. Meine Frau und ich leben noch zum Fleiß, damit möglichst viele noch von ihrem Weg abgelenkt werden. Hallo!" (7.3.2022)