Der Imja Tsho in Nepal zählt zu den am schnellsten wachsenden und gefährlichsten Gletscherseen Hochasiens.

Foto: D. Rounce

Das Wasser, in das sich die Gletscher der Hochgebirge allmählich verwandelt, wird zu einer immer größeren Bedrohung. Forschende der Universität Innsbruck und der Humboldt-Universität zu Berlin haben Modellrechnungen zur Gletscherschmelze in Hochasien durchgeführt. Das besorgniserregende Ergebnis: Im Laufe nächsten Jahrzehnte könnte das Wasservolumen in Gletscherseen um ein Vielfaches ansteigen. Das macht Dammbrüche wahrscheinlicher, vor allem aber auch deutlich gefährlicher.

Zerstörerische Flutwellen

Wo Gletscher schmelzen, können Gletscherseen entstehen – oftmals mit sehr instabilen Ufern und großem Gefahrenpotential. Als Folge eines Dammbruchs oder durch Flutwellen nach Lawinenabgängen oder Felsstürzen können sich enorme Wassermassen mit fataler Zerstörungskraft ins Tal ergießen. Besonders in Hochasien sind die plötzlichen Flutwellen, die erhebliche Schutt- und Wassermassen bis zu 100 Kilometer weit transportieren können, eine Bedrohung für die Bevölkerung sowie für kritische Infrastruktur.

Die nun von Forschenden der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Innsbruck veröffentlichten Studie im Fachjournal "Frontiers in Earth Science" koppelt Daten jüngster Klimamodelle und topographische Informationen des Felsuntergrundes mit einem eisdynamischen Modell. Die Berechnungen zeigen, dass aufgrund des Klimawandels die Anzahl von Gletscherseen in Zentralasien im Verlauf des 21. Jahrhunderts stark zunehmen könnte. Das Wasservolumen der Gletscherseen könnte sich demnach sogar von knapp vier Kubikkilometer im Jahr 2018 auf über 40 Kubikkilometer im Jahr 2100 verzehnfachen.

Dammbrüche von Gletscherseen im Himalaya dürften in den kommenden Jahrzehnten häufiger passieren. Im Bild die Folgen eines solchen im indischen Bundesstaat Uttarakhand.
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Konsequenzen für Asiens Hochgebirgswelt

"Dass die zunehmende Gletscherschmelze mehr Gletscherseen entstehen lassen wird, ist seit langem bekannt. Das enorme Ausmaß und der genaue Verlauf dieser Zunahme wird jedoch erst jetzt deutlich", sagt Erstautor der Studie Wilhelm Furian von der Humboldt-Universität. Auch wenn die Zusammenhänge zwischen der Zunahme von Gletscherseen und Gletscherseeausbrüchen nicht restlos geklärt sei, würde eine solche Steigerung schwerwiegende Konsequenzen für weite Teile der Hochgebirge in Asien haben, so die Forschenden.

Interessant bei der modellierten Entwicklung von Gletscherseen ist die Heterogenität des Gebietes. Da in südöstlichen Teilen des Himalayas die Gletscherschmelze bereits weit fortgeschritten ist, fällt die relative Zunahme an Seefläche und -volumen dort vergleichsweise gering aus. Ganz anders in den noch stark vergletscherten nördlichen und nordwestlichen Gebirgszügen, beispielsweise im Tienshan an der Grenze von China mit den zentralasiatischen Länder Kirgistan und Tadschikistan sowie im pakistanischen Karakorum. Dort wird eine Vervielfachung der Gletscherseen erwartet, die mit einer enormen Zunahme des Wasservolumens einhergehen könnte.

Verschiedene mögliche Wege

Auch die verschiedenen Klimaszenarien wirken sich unterschiedlich aus. "Es spielt eine entscheidende Rolle, ob die Welt einen nachhaltigen Weg einschlägt oder weiterhin ungebremst fossile Brennstoffe nutzt. Gletscher reagieren deutlich auf steigende Temperaturen, und die Seen bilden sich in einer wärmeren Welt vermehrt und schneller aus", erklärt Fabien Maussion von der Universität Innsbruck, der in dieser Studie für die Modellierung der Gletscherentwicklung zuständig war. (red, 4.3.2022)