"Ich gehe davon aus, dass es keinen infektionsfreien Sommer geben wird", prognostiziert Drosten.

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Christian Drosten verabschiedet sich vorläufig von den Hörerinnen und Hörern des NDR-Podcasts, in dem der deutsche Virologe über die Entwicklungen der Pandemie informierte. Aktuell sehe er keinen Grund, den Podcast weiterzuführen. Das heiße aber nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Dafür sei der Impffortschritt zu niedrig und die Infektiosität von Omikron zu hoch, warnt er in der vorerst letzten Podcast-Folge: "Deshalb gehe ich davon aus, dass es keinen infektionsfreien Sommer geben wird."

Die kommende warme Jahreszeit bringt einen saisonalen Vorteil im Kampf gegen das Virus. Aber, gibt Drosten zu bedenken, in Südafrika seien die Infektionen aufgrund der Omikron-Welle mitten im Hochsommer steil angestiegen. Man werde zwar laut seinen Einschätzungen im Sommer keine "ungebändigte" Welle haben, aber: "Man wird sich auch im Sommer mit diesem Omikron-Virus anstecken können."

Übertragbarkeit ausschlaggebend für das Ende der Pandemie

Ein großer Unsicherheitsfaktor sei vor allem auch der wohl noch leichter übertragbare Omikron-Subtyp BA.2. Die Daten zu der Variante hätten noch sehr vorläufigen Charakter, man könne die Schwere der Krankheitsverläufe aus den wenigen Studien noch nicht ablesen. "Die Pandemie ist nicht nur vorbei, wenn durch die Impfung die Krankheitsschwere abgeschnitten ist, sondern wenn durch bestimmte Modifikationen in der Bevölkerung auch diese hohe Übertragbarkeit beendet ist", betont der Wissenschaftler von der Berliner Charité.

Wenn die Temperaturen wieder sinken, werde es zudem zu einer Winterwelle mit vielen Krankenständen kommen, glaubt Drosten. Um ein Ende der Pandemie festzumachen, müsste man überlegen, wie man das Virus kontrollieren könne – und da gäbe es laut Drosten eine neue Haupteigenschaft: die Übertragbarkeit. Es sei schließlich die Weitergabe des Virus, die die Zahlen immer wieder exponentiell steigen lässt. "Wir haben die Impfung, die die schweren Verläufe verhindert. Und jetzt müssen wir darauf achten, was die Übertragung verhindert", erklärt der Virologe.

Schleimhautimmunität schützt vor Ansteckung

Die aktuell verfügbaren Impfstoffe würden "wahrscheinlich nicht" ausreichen. Für ein Ende der Übertragbarkeit brauche es Schleimhautimmunität, die die zurzeit zugelassenen Vakzine nicht erzielen.

Wie sich diese Immunität der oberen Respirationstraktschleimhäute erreichen lässt, erklärte der Virologe bereits Mitte Februar im NDR-Podcast: "Die ideale Immunisierung ist, dass man eine vollständige Immunisierung hat – mit drei Dosen – und auf dem Boden dieser Immunisierung sich dann erstmalig und auch zweit- und drittmalig infiziert mit dem wirklichen Virus."

Erst nach diesen mehrmaligen Viruskontakten sei man über Jahre hinweg immun und könne sich nicht reinfizieren, weil das Virus dann nicht mehr über die Schleimhäute von Nase, Rache und Lungen in den Körper eintreten kann. Eine solche Schleimhautimmunität werden die meisten bis kommenden Herbst und Winter noch nicht erreichen, prognostiziert Drosten.

Masken in Innenräumen weiter ratsam

Entsprechend halte der Virologe es auch im Sommer für ratsam, in Innenräumen weiter Masken zu tragen. Die Maßnahme könne man mit dem geringsten Aufwand aufrechterhalten und FFP2-Masken seien in Innenräumen auf lange Sicht "die effizienteste Maßnahme überhaupt".

Studien bestätigen das: Das Tragen einer Maske reduziert das Infektionsrisiko stark. Das zeigt erneut ein Forschungsteam, das ein theoretisches Modell zur Abschätzung des Risikos der Virenverbreitung entwickelt hat. Mithilfe des Modells kann das Infektionsrisiko bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen mit verschiedenen Arten der Ausatmung – etwa Sprechen, Husten Niesen – abgeschätzt werden. Eine ohne Maske sprechende Person könne laut der Studie die Tröpfchen und damit auch potenziell enthaltene Viren bis zu einem Meter weit verbreiten. Beim Husten fliegen Tröpfen bis zu drei Meter, beim Niesen sogar bis zu sieben Meter weit. Mit einer Gesichtsmaske sinkt das Risiko einer Ansteckung in allen Szenarien erheblich. (poem, 5.3.2022)