Und was ist mit den Österreichern, die bei Putin mitnaschen, mit Karin Knicks-Kneissl, Wolfgang Schüssel? Auch die können von sich sagen, sie haben mit dem Entstehen der derzeitigen Spannungen absolut nichts zu tun, und genau das tun sie auch.

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Es gibt so viel Ungerechtigkeit in der Welt, ja sogar in Österreich. Jetzt beginnt Jagd auf russische Oligarchen, blies die "Kronen Zeitung" Donnerstag zum Halali auf das Freiwild und scheute sich dabei nicht, besagten Herren – durchwegs Männer – die Masken von ihren gierigen Fratzen zu reißen. Oligarchen, die ihr Vermögen auf diesem gewalttätigen Regime aufgebaut haben: Damit ist Schluss! Wir werden ihre Jachten und Luxusappartements und Privatjets finden und beschlagnahmen, zitierte das Blatt den amerikanischen Präsidenten, und nicht nur den. Viele in Österreich aktiv: Braucht es schärfste Sanktionen gegen Putins Oligarchen?, wollte man von den Leserinnen und Lesern wissen, und Überraschung: 69 Prozent stimmten mit Ja, 31 Prozent mit Nein.

Zehn Namen

Schon wegen der Eigentümer der "Krone" hält das Blatt traditionell wenig von Neiddebatten, aber seit Putins Überfall auf die Ukraine, und keinen Tag früher, kennt das Blatt keine Gnade mehr. Nicht weniger als zehn von diesen Kerlen, die sich ihren Reichtum im Schweiße ihres Angesichts erschuftet haben, entlarvt man mit Namen, sieben davon vor dem Hintergrund ihrer österreichischen Besitzungen. Viele russische Oligarchen haben in den neunziger Jahren Österreich als Investmentstandort entdeckt, und Österreich ließ sich willig entdecken. Neben der geografisch guten Lage waren es insbesondere das strenge Bankgeheimnis und die stabile Währung, die es Unternehmern angetan hatten. Dazu kamen noch Steuervorteile, die das Stiftungsrecht mit sich bringt. Nichts also, was nicht auch der eine oder andere österreichische Oligarch in Anspruch nimmt. Was dabei für die Russen spricht: Keiner von ihnen hält sich eine Gemeindewohnung in Wien.

US-Präsident Joe Biden will Putin einen hohen Preis für seine Attacken zahlen lassen und meint damit auch seine Vertrauten, darunter milliardenschwere Oligarchen. "Wir kommen, um ihre unrechtmäßigen Gewinne zu holen", poltert er. Das kann er sich erlauben, wenn er 69 Prozent der "Krone"-Leserschaft hinter sich weiß. Aber unter dieser wird es sicher einige Leser geben, die sich fragen, warum auf einmal nur die unrechtmäßigen Gewinne russischer Yachten- und Villenbesitzer konfisziert werden sollen. Nur weil sie Putin vielleicht unterstützten? Biden hätte nicht weniger gute, ja sogar bessere Gründe, gegen die Unterstützer von Donald Trump vorzugehen, statt immer nur gegen verkannte Russen, die sich im Waldschlössel am Attersee oder in der Seevilla Fuschl ihren Borschtsch vom Mund absparen.

Noch sind Enteignungen nur geplant

Verständlich, dass die Betroffenen mit Unverständnis reagieren. "Ich habe mit dem Entstehen der derzeitigen Spannungen absolut nichts zu tun und weiß nicht, warum die EU die Sanktionen über mich verhängt", jammert einer von ihnen. Es wäre menschlich verständlich, wenn sie unter diesen Umständen ihr "Krone"-Abo kündigten.

Noch sind diese Enteignungen nur geplant. Aber wie schreiendes Unrecht aus diesen Plänen erwachsen könnte, wird erst offenbar, wenn man sich fragt: Und was ist mit den Österreichern, die bei Putin mitnaschen, mit Karin Knicks-Kneissl, Wolfgang Schüssel und wer weiß welchen anderen? Auch die können von sich sagen, sie haben mit dem Entstehen der derzeitigen Spannungen absolut nichts zu tun, und genau das tun sie auch. Der Ex-Kanzler hat sich lange an seinen Aufsichtsratssitz beim russischen Ölkonzern Lukoil geklammert, er soll dort 100.000 Euro im Jahr verdienen, schrieb "Österreich" Mittwoch. Natürlich rein privat. Das ist zwar keine Yacht, aber er hat es ja auch in seinen besten Jahren nie zum Oligarchen gebracht. Bei der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung ist man von Schüssels öligem Nebenjob wenig erfreut, weiß "Die Presse". Der Altkanzler wurde zu einer Umkehr aufgefordert. Bis gestern stand das Herkuleserl am Scheideweg, eine schwere Entscheidung.

Großes österreichisches Rätsel

Ex-Vizekanzler Erhard Busek hat offenbar innere Einkehr bewirkt. "In einem Krieg ist eine Firma, die mit Energie handelt, nie eine Privatfirma. Und Wolfgang Schüssel ist sehr intelligent. Dass er uns für so blöd hält, das zu glauben, ist eine bittere Sache, war von ihm in "Österreich" zu lesen. "Das schmerzt mich sehr. Ich habe schon manches nicht mehr verstanden, nämlich die Koalition mit der FPÖ. Aber das verstehe ich gar nicht mehr!" Wie man sehr intelligent sein und dennoch eine Koalition mit der FPÖ eingehen kann, ist ein großes österreichisches Rätsel, an dem später noch ein anderer ÖVP-Kanzler gescheitert ist. Jetzt ist er bei einem Oligarchen. (Günter Traxler, 6.3.2022)