Eigentlich hätte das Gespräch mit Bankchef Bernd Spalt nach der Bilanzpressekonferenz zu Wochenbeginn stattfinden sollen, in der die Erste Group gute Vorjahreszahlen präsentierte. Der Krieg in der Ukraine, die daraufhin verhängten Sanktionen, das Ende der Sberbank Europe in Wien würfelten die Pläne durcheinander. Das Gespräch fand dann am Ende einer Woche statt, die im Schatten des Kriegs in der Ukraine stand.


STANDARD: Die EU hat im Rahmen der Sanktionen sieben russische Banken vom Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Wird das nützen?

Spalt: Die Eingriffe sind komplex und werden kurz-, mittel- und langfristige Folgen haben, von denen wir möglicherweise noch nicht alle durchschauen. Aber es gibt keine Alternative zum Sanktionsregime. Die dramatischste Sanktion ist, dass die russische Zentralbank nicht mehr auf ihre Währungsreserven zugreifen kann, die sie zur Kriegskasse aufgebaut hat. Sie kann den Rubel nicht mehr stützen, irgendwann wird die Heimwährung nicht mehr zur Verfügung stehen. Es wird zu einer Verschlechterung des Wohlstands der Bevölkerung in Russland kommen. Sie ist schon zuletzt von Jahr zu Jahr ärmer geworden, weil das Wirtschaftsmodell Russlands nicht funktioniert hat.

"Bei der Energieversorgung Europas hat sich ein Klumpenrisiko realisiert, in diese Abhängigkeit hätten wir uns nicht begeben sollen", sagt Bernd Spalt über die Gaslieferungen aus Russland.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Die Oligarchen haben ihr Vermögen im Ausland. Wie viele Konten haben Sie schon geschlossen?

Spalt: Ganz wenige. Weil die Erste ist ja nicht in Russland, Weißrussland oder der Ukraine aktiv und unser Kreditexposure ist dort sehr gering, unsere Kundenbeziehungen sind minimal. Manche Sanktionen sind ja auch noch nicht ausformuliert. Aber wir werden sie korrekt befolgen.

STANDARD: Die Sberbank in Wien wurde nach hohen Abflüssen zugedreht, die Einlagensicherungsgesellschaften müssen für 913 Millionen Euro geradestehen. Auch Raiffeisen sowie Erste und Sparkassen, die für ihre Sektorbanken eigene Sicherungssysteme haben, müssen einzahlen. Wie viel?

Spalt: Das ist ein sehr komplexer, weil länderübergreifender, europäischer Fall. All das beruht auf Entscheidungen der Abwicklungsbehörde in Brüssel und der EZB, die lokalen Aufsichtsbehörden wie die FMA müssen die umsetzen. Die Sberbank wird wahrscheinlich in Insolvenz gehen und aus unserem Einlagenfonds kommen zunächst einmal rund 230 Millionen Euro. Sollte es zu einem Insolvenzverfahren kommen, wird es aber Rückflüsse aus der Vermögensverwertung der Sberbank geben. Man kann jetzt also noch nicht sagen, wie viel uns das alle letztlich kosten wird.

STANDARD: Die Einlagen der Sberbank stammen hauptsächlich aus Deutschland. Aber Österreich kommt zum Handkuss?

Spalt: Absolut und das ist hoch unbefriedigend, aber in einem gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu akzeptieren.. Hier zahlen Banken für etwas, was außerhalb ihres Einflussbereichs steht.

STANDARD: Braucht es eine neue Einlagensicherung?

Spalt: Man muss die Werkzeuge der Einlagensicherungen komplett neu aufstellen. Die Einlagensicherungssysteme der Sparkassen und von Raiffeisen sind so konstruiert, dass es Frühwarnsysteme gibt und man in den Sektoren gegensteuern kann, bevor es zu solchen Notfällen kommt. Das geht so weit, dass man neue Geschäftsführer einsetzen oder die Institute fusionieren kann. In bestimmten Fällen wie jenem der Sberbank, für deren Einlagen alle Banken geradestehen, ist es anders. Man muss zuschauen und hoffen, dass die Aufsicht rechtzeitig tätig wird. Fällt ein Institut trotzdem um, muss man zahlen. Die letzten Zahlen der Sberbank waren robust, von den jüngsten Abflüssen haben wir ja nichts gewusst.

STANDARD: Wie soll das künftig geregelt werden?

Spalt: Es ist klar, dass man Einlagen schützen muss, aber dafür braucht es ein klares Regime und strenge Frühwarnsysteme, denen sich jede Bank unterwerfen muss, sodass rechtzeitig interveniert werden kann – bevor jemand gegen die Wand knallt. Da geht es etwa um Offenlegung von Detailzahlen und Regeln, was geschieht, wenn ein Mitglied die Vorgaben nicht erfüllt.

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Die Aufsichtsbehörde hat die Sberbank Europe mit Sitz in Wien diese Woche zugedreht. Für die gesicherten Einlagen, die zum größten Teil aus Deutschland kommen, stehen die österreichischen Banken gerade.
Foto: Reuters/Föger

STANDARD: Die Inflation lag zuletzt bei 5,8 Prozent, der Krieg treibt die Energiepreise an. Könnte das die Energiewende beschleunigen?

Spalt: Die Inflation wird durch den Druck auf die Energiepreise weiter steigen, das Wachstum wird sich verlangsamen. Vielleicht führt die Situation am Energiemarkt dazu, dass die Umstellung auf alternative Energiequellen beschleunigt wird. Von einem Tag auf den anderen geschieht das aber sicher nicht.

STANDARD: War es klug, sich bei den Gaslieferungen Russland auszuliefern?

Spalt: Diversifizieren ist immer gut. Bei der Energieversorgung Europas hat sich ein Klumpenrisiko realisiert, in diese Abhängigkeit hätten wir uns nicht begeben sollen. Hätten österreichische Unternehmen gar nicht nach Russland gehen sollen? Finde ich nicht, das hat viel Mut erfordert und es hat ökonomisch gesehen auch lang funktioniert. Mit einem Krieg hat bis vor kurzem kaum jemand gerechnet.

STANDARD: In der Taxonomie der EU wird Atomenergie als nachhaltig bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Spalt: Diese Taxonomie-Entscheidung beruht auf einer politischen Diskussion, die uns noch lang beschäftigen wird. Wenn wir Kohlekraftwerke abschalten wollen, brauchen wir Übergangslösungen – und welche das sein können, dazu braucht es Konsens. Den gibt es in Europa nicht, wie wir am Beispiel Atomenergie sehen. Diesen Übergangspfad müsste die Politik vorgeben, das hat sie bisher nicht getan.

STANDARD: Noch zu Inflation und Zinsen. Die Europäische Zentralbank EZB ziert sich mit Zinserhöhungen, wären die an der Zeit?

Spalt: Eine Erhöhung auf null oder 0,25 Prozent würde gegen den Preisdruck aus den Energiekosten wenig bewirken und wäre bei der jetzigen sehr, sehr hohen Inflation reines Placebo. Ich glaube, dass die EZB erst kurz vor dem Jahresende erste Zinsschritte setzen wird. Die Inflation wird uns noch länger bleiben.

Bis jetzt hat die Europäische Zentralbank unter Christine Lagarde (Mitte) nicht an der Zinsschraube gedreht.
Foto: EPA/Thomas Lohnes

STANDARD: Was tun dagegen?

Spalt: Man kann nur hoffen, dass dieser geopolitische Konflikt rasch beigelegt wird und das Wachstumspotenzial der Region hilft, nachhaltige Arbeitsplätze, Technologie und Wirtschaftswachstum zu befördern. Nur dann kommt man aus dieser Spirale wieder heraus.

STANDARD: Das Geschäft mit Spareinlagen und Krediten hat sich überlebt. Müssen sich die Banken nun neu erfinden?

Spalt: Nein. Es ist schon sehr viel geschehen zuletzt, wenngleich die hohe Sparquote in der Krise weiter angewachsen ist. Es gibt alternative Veranlagungsmodelle etwa mit Wertpapier-Sparplänen, mit denen man auch mit geringen monatlichen Beträgen in den Aufschwung einer Wirtschaft investieren kann. Die Steigerungen dort haben in der Gruppe im Vorjahr mehr als 40 Prozent betragen. Wenn es zu Verwerfungen auf den Aktienmärkten wie jetzt gerade kommt, sollte man das aber auch aushalten können. Ohne Risiko keine Rendite. (Renate Graber, 6.5.2022)