Nach zehn Tagen des russischen Aggressionskrieges mitten in Europa fällt die Bilanz entsetzlich aus. Es gibt vermutlich tausende Tote, darunter viele Zivilisten. Gesichert ist, Stand Freitagabend, dass 1,3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen sind, die meisten in EU-Länder.

US-Außenminister Antony Blinken und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Das war erst der Anfang. Es steht ein Exodus bevor wie seit 1945 nicht mehr. Die Zahl der Vertriebenen könnte laut UNHCR bald auf vier bis fünf Millionen Menschen ansteigen. Die Dynamik ist furchterregend, viel größer als bei den Kriegen in Ex-Jugoslawien in den 1990er-Jahren. Insofern muss man froh sein, dass die EU-Staaten rasch und gut reagierten. Der Beschluss, alle Menschen aus der Ukraine, die dort regulär und dauerhaft lebten, ohne Asylverfahren aufzunehmen, unabhängig von Nationalität oder ethnischer Herkunft, ist einmalig.

Die Europäer können gar nicht anders. Die USA halten sich zurück. Bei Sanktionen gegen Moskau sind sie mit der EU eng, von deren Folgen aber nicht so stark betroffen. Militärisch wollen weder Nato noch EU eingreifen. US-Präsident Joe Biden stellte klar, dass er nur "jeden Zentimeter" des Nato-Gebiets verteidigen werde. Auch diplomatische Bemühungen bleiben vorläufig Sache der Europäer. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist neben EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die zentrale Figur. Er ist der Einzige, mit dem Putin noch redet. Leider ist Macron, der sich im April der Wiederwahl stellt, nicht sehr optimistisch. Bittere Zeiten in Europa. (Thomas Mayer, 4.3.2022)