Anstellen für den Partyspaß. Die Schlangen vorm Wiener Club Werk war am ersten Öffnungstag der Clubs ziemlich lang.

Foto: Amira Ben Saoud

Wien – Man merkt es bereits im Futuregarden, einer Bar im sechsten Bezirk, die an einem Freitag zwar so gut wie immer berstend voll ist, sich heute aber anders anfühlt: Denn die Leute sind nicht gekommen, um bis zur Sperrstunde etwas zu trinken und dann brav nach Hause zu gehen, heute herrscht hier Aufbruchsstimmung. Denn – dem Publikum steht’s ins Gesicht geschrieben – der Futuregarden ist nicht das Ende, sondern der Beginn. Später geht’s in den Club. Seit Freitag, 0 Uhr, darf die krisengeplagte Nachtgastronomie wieder aufsperren. Im strengeren Wien bei 2G-Regel, in den anderen Bundesländern gibt es gar keine Nachweispflicht mehr, die Masken sind überall passé.

Viele Clubs warten nicht erst auf Samstagabend, um mit ihrem Programm zu starten, sondern sperrten schon in der Nacht von Freitag auf Samstag ehestmöglich auf. Immerhin hat die Branche viel und zurecht "gejammert" – nur wenige Monate war seit Pandemiebeginn im März 2020 Clubbetrieb möglich. Nun will man keine Minute verschwenden.

Auch das Publikum will das nicht. Um 1 Uhr hat sich vor dem Werk, einem beliebten Club an der Spittelauer Lände, bereits eine ordentliche Schlange gebildet. Gut eine Stunde haben manche darin ausgeharrt, um die heiligen Hallen des Bass endlich wieder betreten zu dürfen. Es sind vorwiegend sehr junge Menschen, kaum 20, die sich die Beine in den Bauch stehen; noch Jüngere werden heute ihren ersten Clubbesuch überhaupt erleben. Vielleicht hat während der Pandemie ein Generationenwechsel stattgefunden, vielleicht kommt es einem auch nur so vor. Die wenigen älteren Hasen beobachten das Treiben jedenfalls amüsiert: so viel Lebensfreude, so viele wieder im Trend liegende Vokuhilas, so viele Umarmungen und so viel verschütteter Spritzer. Nur Stefan Stürzer, Chef des Werk, sieht abgekämpft aus: "Vor dem Sommerloch muss es jetzt drei Monate richtig gut laufen, da darf jetzt nichts mehr passieren, sonst werden einige Clubs zusperren müssen." Über das große Interesse seiner Kundinnen und Kunden scheint er sich nicht richtig freuen zu können, die wirtschaftliche Situation treibt ihm die Sorgenfalten aufs Gesicht.

Die Strapazen des Vorglühens

Während die DJs auf den beiden Floors alles geben – auch sie hatten ja wenig Auslauf in den letzten beiden Jahren – und die Stimmung bei den Tanzenden immer besser wird, fordert die Cluböffnung auch schon erste Opfer. Der Kopf eines jungen Mannes, dem die Strapazen des Vorglühens ins schlafende Gesicht geschrieben sind, wird von seinen Freunden abwechselnd gestützt. Einer der Stützer heißt Paul, ist 19 Jahre alt und heute das erste Mal im Werk. Angst, dass er sich hier Corona holen könnte, hat er schon, denkt aber, dass man das ohnehin nicht vermeiden kann. In dieselbe Kerbe schlägt auch Kerstin (28): "Omikron wird jeden treffen, man wartet ja nur darauf, wann man es bekommt. Und ich bekomm es ehrlich gesagt lieber beim Weggehen als bei der Arbeit."

Sprich: wenn schon, dann an einem Ort, an dem man Spaß hat. Wieso musste sie gleich am ersten Tag losziehen? "Weil ich mich extrem nach menschlicher Nähe abseits von meinem Freundeskreis gesehnt habe, nach Abwechslung. Natürlich fühlt es sich irgendwie krank an, mit der ganzen Ukraine-Situation feiern zu gehen, aber dieses Gemeinschaftsgefühl, das einem der Club gibt, ist so schön." Kerstin hält es ob der Infektionszahlen eigentlich für zu früh, die Nachtgastronomie wieder aufzusperren, gleichzeitig "ist es gut für die psychische Gesundheit der jüngeren Gesellschaft. Die Leute zwischen 18 und 30 wollen endlich wieder Erinnerungen schaffen."

Verantwortungsbewusstsein

Im Taxi vom Werk in den 15. Bezirk sieht man viele Grüppchen vor den Gürtellokalen stehen, vermutlich hat auch die Polizei heute Nacht ein bisschen mehr zu tun als sonst. Zumindest beim zweiten Schauplatz des Lokalaugenscheins (im wahrsten Sinne des Wortes) ist sie schon vor Ort. Der Club Ponyhof, der mitten in der Krisenzeit im Oktober 2021 in einem Wohnhaus in der Sechshauserstraße geöffnet hat und seitdem erst einen Monat geöffnet haben konnte, hat sie auf den Plan gerufen. Oder die Anrainerinnen und Anrainer, die über die Cluböffnungen vermutlich weniger erfreut sind als die Gäste.

Da der unerwartete geräumige, aber trotzdem sehr gemütliche Club noch nicht so bekannt ist, ist er auch gegen 3 Uhr noch nicht voll, obwohl langsam immer mehr Leute hereintröpfeln. Das Publikum ist hier etwas älter, gesitterter und hat den eigenen Alkoholkonsum schon besser im Griff als der Nachwuchs im Werk. Auch hier ist die Stimmung beim Publikum gut. "Es hat sich viel Vorfreude aufgestaut, wir sind aber verantwortungsbewusst und gehen regelmäßig PCR-Testen", sagt Ben. "Es sind jetzt zwei Jahre, wir wünschen uns eine Normalisierung," fügt Veronika hinzu.

Heute, Samstag am Abend, wollen die beiden gleich wieder ausgehen. (Amira Ben Saoud, 5.3.2022)