Die Ankünfte von Flüchtlinge an der ukrainisch-polnischen Grenze reißen nicht ab.

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Wien – Während der Zustrom flüchtender Menschen aus der Ukraine in die direkten Nachbarstaaten nicht abreißt, hält sich die Zahl von Ankünften in Österreich derzeit weiter in Grenzen.

Mehr als 800.000 Personen sind etwa seit Kriegsbeginn schon in Polen eingereist, allein am Freitag seien 106.400 dazugekommen, hieß es von Seiten der dortigen Behörden. Täglich im Durchschnitt 4.000 sind es in Österreich, wobei die meisten gar nicht hierbleiben, sondern in Länder wie Spanien oder Italien weiterreisen, wo es große ukrainische Communitys gibt.

Viertel aller Ukrainer könnte fliehen

Die Zahlen könnten aber auch in Österreich bald steigen. Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält zehn Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine für möglich. Putins Kriegsführung in Tschetschenien habe dazu geführt, dass ein Viertel der Tschetschenen vertrieben worden seien, sagte er: "Das sind zehn Millionen Menschen." Vor dem Angriff Russlands hatte die Ukraine 44,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.

Migrationsexperte Gerald Knaus fordert beschleunigte EU-Aufnahmebestrebungen am Südost-Balkan, um ein Übergreifen des Krieges aus der Ukraine dorthin zu verhindern.
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Im Unterschied zu den Flüchtlingen, die 2015 und 2016 aus dem Süden und Südosten in die EU kamen, schlage den Ukrainerinnen und Ukrainern in der EU nun Sympathie entgegen, sagte Knaus im Ö1-Mittagsjournal. Der Ukrainekrieg habe eine "historisch einzigartige Situation" geschaffen.

Die EU könne nun beweisen, dass sie sich an die internationalen Regeln des Flüchtlingsrechts halten. An den EU-Süd- und Südostgrenzen sei das vielfach nicht der Fall. Und er forderte beschleunigte Aufnahmebestrebungen der Länder auf dem Balkan in die EU, um ein Übergreifen des Ukrainekriegs hintanzuhalten.

Drittstaatangehörige ohne Aufenthaltsrecht

Doch nicht nur ukrainische Staatsangehörige versuchen derzeit, den russischen Angriffen Richtung Westen zu entkommen. So lebten vor Kriegsbeginn rund 80.000 Gaststudierende in dem Land, etwa aus afrikanischen oder asiatischen Ländern– ebenso wie eine Reihe von Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen.

Für diese nun gelten in Österreich die großzügigen Regelungen laut der EU-Massenzustrom-Richtlinie nicht, die am Donnerstag bei EU-Innenministerrat erstmals EU-weit aktiviert wurde. Die Inkraftsetzung garantiert ukrainischen Kriegsflüchtlingen Aufenthaltsrecht und EU-weite Bewegungsfreiheit für mindestens ein Jahr, Arbeitsmarktzugang und soziale Absicherungsmaßnahmen.

Erschwerte Bedingungen

Beim EU-Ministerrat am Donnerstag hatten Österreich sowie die Vizegrad-Staaten Vorbehalte angemeldet, Angehörige anderer Staaten, die aus der Ukraine in die Union flüchten, in den Schutz mit einzubeziehen. Die Richtlinie selbst sieht für sie erschwerte Bedingungen vor. Sie müssen einen Daueraufenthaltstitel in der Ukraine gehabt haben sowie nachweisen, dass sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren können.

Genau das könnten zum Beispiel die Studierenden aus der Ukraine nicht, sagt Herbert Langthaler von der österreichischen Asylkoordination. Er rät Betroffenen, in Österreich nach Abklärung mit einer Beratungsstelle einen Asylantrag einzubringen.

Warten auf Verordnung

Der Beschluss der Massenzustrom-Richtlinie wird in Österreich nun per Verordnung umgesetzt. Diese ist gerade in Arbeit, mit einer Veröffentlichung ist in den kommenden Tagen zu rechnen. (Irene Brickner, 5.3.2022)