
Russisches Vermögen ist im Westen oft gut versteckt. Es erfordert politischen Willen, es aufzufinden.
Als Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine hat die EU weitreichende Wirtschaftssanktionen beschlossen. Dazu zählen auch Finanzsanktionen, mit denen Vermögenswerte wie beispielsweise Unternehmensbeteiligungen, Immobilien und Bankkonten von sanktionierten Unternehmen und Personen – Politiker, Militärs, Präsident Wladimir Putin nahestehende Oligarchen – in der EU eingefroren werden.
Die von der EU verhängten Sanktionen finden sich in mehreren EU-Verordnungen, die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbar sind. Der Verordnungstext enthält die inhaltlichen Bestimmungen, wie beispielsweise über das Einfrieren von Vermögenswerten, und in einem Anhang zur Verordnung werden jene Unternehmen, Institutionen und Personen namentlich angeführt (Listenprinzip), für die die Sanktionen unmittelbar gelten (sanktionierte oder – im Jargon der EU-VO – designierte Personen).
Diese Anhänge werden laufend erweitert. Zuletzt wurden beispielsweise Präsident Putin selbst, der russische Außenminister Sergej Lawrow und einige der Putin-Regierung angeblich nahestehende Oligarchen in solche Anhänge aufgenommen.
Schon 2014 erlassen
Für Finanzsanktionen zentral ist die EU-Verordnung 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Die Finanzsanktionen-VO wurde von der EU anlässlich der Annexion der Krim im Jahr 2014 erlassen und als Reaktion auf die Invasion in die Ukraine zuletzt umfangreich ergänzt.
Nach ihrem Art 2 Abs 1 werden sämtliche Gelder und Vermögenswerte, die im Eigentum oder Besitz von sanktionierten Personen und Unternehmen sind, eingefroren. Die Begriffe Gelder und Vermögenswerte – oder im Sprachgebrauch der Verordnung "wirtschaftliche Ressourcen" – werden sehr weit definiert.
Darüber hinaus gilt der Asset-Freeze auch für Gelder und Vermögenswerte, die formal im Eigentum oder Besitz von nicht auf der Liste genannten Personen oder Gesellschaften stehen, wenn diese von einer sanktionierten Person kontrolliert werden oder die Gelder bzw. die Vermögenswerte für die sanktionierte Person gehalten werden.
Auch die Begriffe Halten oder Kontrolle sind sehr extensiv definiert, maßgeblich ist die faktische Verfügungsgewalt. Sind Gelder oder Vermögenswerte eingefroren, so ist jeder Zugriff darauf und jede Verwendungsmöglichkeit untersagt.
Beschlagnahme von Privatjets
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ist nach dem Sanktionengesetz (SanktG) die primär zuständige Behörde für Finanzsanktionen in Österreich. Sie kann das Einfrieren von Geldern und Vermögenswerten durch Bescheid oder Verordnung anordnen, was besonders bei nicht unmittelbar von einer sanktionierten Person gehaltenen Geldern und Vermögenswerten relevant ist, denn ansonsten ergibt sich das Einfrieren ja schon direkt aus der EU-VO und ihrem Anhang.
Sind Vermögenswerte einer sanktionierten Person im Firmenbuch (beispielsweise Geschäftsanteile an einer GmbH) oder im Grundbuch (beispielsweise Eigentum an einer Immobilie) ersichtlich, dann hat der Bundesminister für Inneres dies dem zuständigen Gericht mitzuteilen, und dieses hat dann im Firmenbuch bei der betreffenden Gesellschaft oder im Grundbuch bei der relevanten Liegenschaft einzutragen, dass das Vermögen der betreffenden Person eingefroren ist.
Findet sich die sanktionierte Person direkt auf der Sanktionsliste der EU, dann ist diese für die österreichischen Behörden und Gerichte bindend. Handelt es sich um mittelbar gehaltene oder kontrollierte Gesellschaftsanteile oder Liegenschaften, dann muss der Innenminister dem Gericht bei seiner Mitteilung in vom Gericht überprüfbarer Weise darlegen, wodurch die Voraussetzung des Haltens für oder der Kontrolle durch eine sanktionierte Person erfüllt ist.
Für Privatjets gibt es übrigens auch eine Regelung im SanktG: Die Bundesregierung kann durch Verordnung oder Bescheid eine Beschlagnahme anordnen.
Komplizierte Strukturen
Medienberichte der letzten Tage sprechen von Unternehmensbeteiligungen, Luxusimmobilien, Privatjets und Yachten von Oligarchen, die sie in Österreich, Frankreich und vielen anderen Ländern Europas besitzen, meist wohl nicht unmittelbar, sondern über mehr oder weniger komplizierte und mehr oder weniger bekannte Strukturen wie Offshore-Gesellschaften.
Ein Blick in das Register über wirtschaftliche Eigentümer wird dazu sicher den einen oder anderen Hinweis geben, jedoch reichen die Sanktionsmaßnahmen der EU viel weiter als der Begriff des wirtschaftlichen Eigentümers, wenn es um das Einfrieren von Geldern und Vermögenswerten sanktionierter Personen und Unternehmen geht.
Nicht in allen, aber in vielen Fällen verfügen die Sicherheitsbehörden über die notwendigen Informationen. Ist der politische Wille vorhanden und tauschen die Sicherheitsbehörden in Europa und Nordamerika die Informationen effizient aus, dann ist das Einfrieren von Geldern und Vermögenswerten von jenen Personen, Institutionen und Unternehmen, die in den Anhang der Finanzsanktionen-VO aufgenommen werden, zweifellos machbar – und für sie eine durchaus schmerzliche Erfahrung. (Markus Heidinger, 7.3.2022)