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Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen am 4. Februar.

Foto: AP/Alexei Druzhinin

Die Gerüchte kursierten schon seit Monaten, nicht nur auf Twitter: Russlands Präsident Wladimir Putin wird die Ukraine erst nach den Olympischen Winterspielen angreifen. Darum hätte ihn Chinas Staatschef Xi Jinping gebeten, um das Spektakel in Peking nicht zu stören. Gerüchte, wie sie eben vor, während und nach einem Krieg kursieren. Jetzt aber hat die New York Times Zugriff auf Geheimdienstberichte erhalten, die – angeblich – genau diese Abmachung belegen.

Demnach hätten hochrangige chinesische Beamte ihre russischen Kollegen Anfang Februar gebeten, mit der Invasion noch zu warten, bis die Olympischen Spiele zu Ende seien. Dies wiederum würde bedeuten, dass man in Peking von der bevorstehenden Invasion Kenntnis gehabt hatte. Am 4. Februar waren zudem beide Staatschefs zusammengetroffen und hatten eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, wonach "ihre Freundschaft keine Grenzen kenne" und man jede "Nato-Aggression verurteile".

Taiwan als Equivalent zur Ukraine

Sinn ergeben würde es aus chinesischer Sicht. Das Äquivalent zur Ukraine aus Pekings Sicht ist Taiwan. Zwar ist die mittlerweile demokratisch regierte Insel seit 1949 de facto unabhängig, akzeptiert aber hat dies die kommunistische Führung in Peking nie. Die Wiedervereinigung beziehungsweise die gewaltsame Annexion Taiwans ist seit Jahren erklärtes Ziel Xi Jinpings (und seiner Vorgänger). Nachdem in Taiwan mit der progressiven Präsidentin Tsai Ing-Wen auch eine Politikerin an die Macht kam, die sich klar von einer Wiedervereinigung mit dem Festland distanzierte, setzt man in Peking vermehrt auf Druck und Gewalt. Die Inkursionen chinesischer Kampfjets in den taiwanischen Luftraum haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.

Für den Westen wäre eine gewaltsame Annexion Taiwans eine geostrategische Katastrophe, angesichts derer man von einem "Dritten Weltkrieg" sprechen müsste. Die USA stünden vor gewaltigen militärischen, logistischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, wenn sie die Insel verteidigen. Absprachen solcher Art zwischen Xi und Putin könnte es also durchaus gegeben haben und weiterhin geben.

Peking dementiert

Das chinesische Außenministerium bezeichnete den Bericht der New York Times Ende vergangener Woche als falsch. Dagegen spräche auch, dass Peking vorab keine Anstrengungen unternommen hatte, seine 6000 Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus der Ukraine in Sicherheit zu bringen.

Derzeit aber fährt Peking einen Schlingerkurs, was den Krieg in der Ukraine betrifft. Zwar bekennt man sich öffentlich zum Recht jedes Staates auf "territoriale Integrität" und pocht darauf, die Krise friedlich und mit diplomatischen Mitteln beizulegen. Andererseits ist die Stimmung in China seit Jahren nationalistisch und antiamerikanisch aufgeheizt. Im streng zensierten chinesischen Internet werden die USA und die Nato als Aggressoren dargestellt, gegen die sich Putin verteidigt. Die nationalistische Zeitung Global Times, die auch als Sprachrohr der Kommunistischen Partei gilt, bezeichnet die USA klar als "Aggressor" und verurteilt das "amerikanische Hegemoniestreben".

Gemeinsame Ziele

Noch nicht ganz klar ist, wie sich Peking hinsichtlich der Sanktionen verhält. Aber auch hier gibt es eine Ziel-Korrelation beider Regime: Putin wie Xi wollen dringend den Status des US-Dollars als globale Leitwährung beenden. So absurd es auch klingen mag: Ausgerechnet eine Abkopplung Russlands aus dem Swift-System kann beide diesem Ziel näherbringen. Seit 2015 existiert das chinesische Zahlungssystem CISP, das nun an Bedeutung gewinnen könnte, da beide Staaten keine US-Dollar mehr zur Abwicklung des gemeinsamen Handels benutzen.

Rund 300 Unternehmen hätten außerdem in den vergangenen Tagen Konten bei chinesischen Banken eröffnet. China ist für Russland der größte Einzelabnehmer von Rohstoffen wie Öl, Erdgas und Kohle. Das rohstoffarme China wiederum ist auf die Energieimporte aus Russland angewiesen. Im vergangenen Jahr belief sich das Handelsvolumen auf knapp 180 Milliarden Euro – 36 Prozent mehr als im Vorjahr. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 7.3.2022)