Carolin Jüngst und Lisa Rykena mit "She Legend" im Brut.

Foto: Daniel Dömölky

Dieses Tanzen steht unter einem besonderen Stern. Denn es beginnt auf dem Häusl. Dort leitet Zoe Gudović das Imagetanz-Festival des Brut-Theaters mit Isolation ein. Gudović strahlt etwas Gestandenes aus, bezeichnet sich als "Toilet Artist" und hat das Klo mit Blumen, Sitzen, Tisch und Büchern gemütlich eingerichtet. Abgesondert wird das Publikum nicht. Im Gegenteil. Man besucht die freundliche Feministin einzeln in ihrem temporären Kunst-Heim – eigentlich wohnt sie gerade in der Türkis Rosa Lila Villa –, bekommt ein Getränk und kann sich eine Viertelstunde über Isolationserfahrungen austauschen.

Platz auf der Toilette hat auch eine Ausstellung von Bildern der Fotografin Marija Šabanović. In der bei Isolation gezeigten Fotoserie Bathroom hat sie sich in der Badewanne abgelichtet: intim in teils weichen, teils akzentuierten Farben. Ähnliche Feinsinnigkeit strahlt die Bühnenperformance She Legend zum Festival-Auftakt zwar nur sparsam aus, aber das bedeutet nur, dass ihre Urheberinnen Carolin Jüngst und Lisa Rykena lieber auf Expressivität zielen. In ihrem Bühnenraum schwebt eine große, drehbare Skulptur aus fünf ineinandergehängten Dreiecken, deren Spitzen nach unten zeigen.

Der Tauchgang

Bühnenbildnerin Lea Kissing hat dieses weibliche Zeichen an der Front verspiegelt, sodass es bei entsprechender Beleuchtung poetische Lichtmuster auf dem Boden tanzen lässt. Unter diesem religiös wirkenden Symbol toben sich die deutschen Performerinnen als lebendig gewordene Comicfiguren aus. Offensichtlich haben sie sich genüsslich in die Welten diverser Superheldinnen und -helden vertieft und verkörpern nun, was sie aus diesen Tauchgängen mitgenommen haben.

Jüngst und Rykena zeigen sich als berührende Bühnenfiguren, deren patziger Witz ein wenig an Jule Flierls Performance Störlaut über die Avantgardetänzerin Valeska Gert erinnert. Konstantin Bessonov gibt ihnen eine Soundstruktur, in die auch Zitate aus so bekannten Werken wie dem Säbeltanz von Komponist Aram Chatschaturjan aus dessen Ballett Gayaneh (1942) integriert sind. Gayaneh musste übrigens wegen Hitlers Überfall auf die UdSSR im entlegenen Perm uraufgeführt werden, was diesem Detail in She Legend eine bitter aktuelle Note verleiht: Das Regime von Putin will nur das Falsche aus der Geschichte seines Landes lernen. In solch schwierigen Zeiten gewinnt die feministische Dekonstruktion der prügelnden oder ballernden Superheroes US-amerikanischer Provenienz jedenfalls zusätzliche Relevanz. (Helmut Ploebst, 7.3.2022)