Seit in der Ukraine Krieg herrscht, bekennen sich alle Parteien zum Militär und geloben, das Budget für das Bundesheer – jetzt aber wirklich, großes Ehrenwort! – auf das längst fixierte, aber lange nicht erreichte Niveau von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

Das ist ziemlich typisch für die österreichische Haltung zur Landesverteidigung: Man gibt dem Bundesheer ein bisserl Geld – und erwartet, dass die Soldaten schon das Richtige machen werden. Hauptsache, man hat dann mit der Sicherheitspolitik seine liebe Ruhe!

Genau das aber widerspricht dem, was in den 1970er-Jahren im Landesverteidigungsplan festgeschrieben wurde. Der damalige Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) hat es nämlich verstanden, ein sehr viel breiteres Verständnis von Umfassender Landesverteidigung zu etablieren – und sich dafür auch die Unterstützung der anderen Parlamentsparteien zu holen. Verteidigung sollte in diesen Sinn eben nicht nur Sache des Militärs sein. Als weitere Säulen wurden die wirtschaftliche, die zivile und die geistige Landesverteidigung etabliert. Und zwar als ausdrücklich gleichwertig.

Mit einer Budgeterhöhung für das Bundesheer ist es nicht getan.
Foto: APA/BUNDESHEER/DANIEL TRIPPOLT

Wie weit es damit her ist, konnte man in den letzten Tagen sehen: Überrascht nahm die österreichische Öffentlichkeit zur Kenntnis, dass Österreichs Gasversorgung zu 80 Prozent von Russland abhängig ist, dass aber die Gasspeicher nur zu 18 Prozent gefüllt sind – wie eng die wirtschaftlichen Beziehungen der heimischen OMV mit der russischen Gazprom sind, hat bis dahin kaum jemanden interessiert. Dass solche Abhängigkeiten ein zentrales Thema der wirtschaftlichen Landesverteidigung wären, wurde einfach ignoriert.

Geistige Landesverteidung

Da war man in den 1970er-Jahren schon einmal weiter: Nach dem Nein zum AKW Zwentendorf war klar, dass Österreich mehr auf erneuerbare Energieträger setzen müsste. Allerdings: Außer einem ziemlich brutalen und daher auch nicht komplett umsetzbaren Wasserkraft-Ausbau-Programm (Stichwörter: Hainburg, Dorfertal, Hintergebirge) hat die Energiepolitik nicht viel für Nachhaltigkeit übriggehabt – Windkraft, Photovoltaik und Biomassenutzung wurden jahrzehntelang stiefmütterlich behandelt. Das alles war uninteressant, solange der Rubel rollte.

Ähnlich stark verdrängt wurden die Themen der zivilen Landesverteidigung. Die seinerzeit verpflichtende Errichtung von Grundschutzräumen wurde aus Kostengründen abgeschafft, die Notwendigkeiten privater Vorsorge für etwa 14 Tage bestenfalls ansatzweise kommuniziert. Drohende Blackouts galten als Thema für Verschwörungstheoretiker, an Atomkraftwerksunfälle wollte man seit Tschernobyl nicht mehr glauben; Fukushima ist weit weg. Erst in den letzten Tagen fällt auf, dass es da große Versäumnisse gibt. Reaktion darauf? Nicht eine Nachbesserung, sondern allenfalls die Diskussion, ob an dem allen eher der Bund oder die Länder schuld seien.

All das führt zur vierten Säule, der geistigen Landesverteidigung. Diese sollte eigentlich das Wehrbewusstsein stärken und den Sinn für die Notwendigkeiten eines souveränen Staates schärfen. Stattdessen wird Friedensgesinnung gepredigt und in den Unterrichtsmaterialien die Suche nach "alternativen Rollenbildern" in der Kriegsberichterstattung thematisiert. Die Hauptfrage, wie Österreich insgesamt resilienter werden könnte, bleibt in allen Bereichen der Umfassenden Landesverteidigung offen. (Conrad Seidl, 7.3.2022)