Tausende starben bereits im Krieg in der Ukraine, mehr als 1,5 Millionen Menschen flüchteten ins Ausland. Gleichzeitig frieren und hungern weiter unzählige Menschen in den Städten in Kellern und Bunkern. Ihnen soll jetzt geholfen werden. Humanitäre Korridore sind von vielen Seiten eingefordert worden, nun sind sie für mehrere Städte im Gespräch. Sollten diese sicheren Fluchtwege umgesetzt werden, ist dies natürlich uneingeschränkt zu begrüßen.

Mehr als 1,5 Millionen Menschen flüchteten bereits vor dem Krieg in der Ukraine.
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Doch eines muss klar sein: Danach wird Wladimir Putin die Feuerkraft wohl massiv erhöhen. Darauf deuten zwei Einträge in seiner Vita hin: Im Zweiten Tschetschenienkrieg rief Moskau 1999 die Zivilisten auf, Grosny zu verlassen. Wenig später wurde die Stadt flächendeckend bombardiert. Ähnliches ereignete sich 2016 in Syrien, als Russlands Armee die Rebellenhochburg Aleppo mit einem Bombenteppich überzog.

Hinzu kommt die innenpolitische Komponente: Der Krieg ist in Russland unbeliebt. Bilder von toten Kindern und Frauen würden trotz Informationsblockaden auch dort ankommen und die Antikriegsstimmung weiter anheizen. Kann die Zivilbevölkerung sicher abziehen, haben Russlands Truppen freie Bahn. Bleiben Zivilisten aber genau aus diesem Kalkül dort, so kann Putin zumindest auf die humanitären Korridore verweisen. Oder sogar behaupten, dass jene, die zurückgeblieben sind, dem "neonazistischen Regime" in Kiew angehören würden. Das ist Krieg in seiner zynischsten Ausprägung. (Kim Son Hoang, 6.3.2022)