Über die Highlights beim Online-Kongress schreibt Autor Christian Kreil im Gastblog.

Der israelische Arzt Jeremy Sherr ist eine Art Missionar. Er zog vor Jahren nach Tansania, um die dortigen Menschen mit HIV/Aids zu behandeln. Das stand zumindest vor Jahren auf der Webseite der Organisation "Homöopathen ohne Grenzen" und lässt die Alarmglocken schrillen. Auf der Webseite dieser "Ärzte ohne Schamgrenzen" konnte man auch das zu Sherr lesen: "Auf Grund seiner langjährigen Erfahrung mit dieser Erkrankung kommt er zu dem Schluss, dass die Aids-Erkrankung ein eigenständiges Miasma darstellt. Entsprechend Hahnemanns Vorgehensweise bei der Entwicklung des miasmatischen Konzeptes stellt er Symptomreihen zusammen und sucht die geeigneten homöopathischen Arzneien." Zur Erinnerung: Wir reden hier von Aids und einer Behandlung mit wirkstofflosen Zuckerkugeln. Auf seiner Webseite gibt Sherr an, in Tansania bereits 20.000 Aids-Patienten homöopathisch behandelt zu haben.  

Nirgendwo sonst wird Humbug so offensiv beworben

In diesen Tagen referiert Sherr beim Online-Kongress "United To Heal". Das Event findet bereits zum 10. Mal statt und er könnte auch "United To Deal" heißen. Nirgendwo sonst werden pseudomedizinische Angebote so ungeniert beworben. Der Kongress versammelt die illustersten Köpfe der Szene. 24 Referenten sind auf der Kongress-Webseite angeführt. Sherr ist nicht der einzige "Homöopath ohne Grenzen", der dort auftritt. Die deutsche Ärztin Maria Möller referiert zum Thema "Homöopathie in Kriegs- und Krisengebieten" und dem erfahrenen Beobachter der Szene schwant bereits von der Erzählung eines Hilfskonvois voll Zuckerkugeln, die in der Ukraine die Versorgung von Kriegsopfern unterstützen sollen. Im Vorjahr bewarb die Ärztin die geschmackvolle Idee, psychische Traumata von Flüchtlingen mit Homöopathie zu behandeln.    

Auch über das sehr aktuelle Thema Krieg wird beim Globuli-Kongress referiert.
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Homöopathische Krebsheilung? Ein Arzt berichtet

Der Arzt Dario Spinedi wird zum Thema "Die Bedeutung der Miasmen für den Aufbruch in die neue Welt" referieren. In eine neue Welt der Onkologie stößt der Schweizer seit Jahrzehnten vor. Im Tessin betreibt er eine Privatklinik, die sich mit homöopathischen Krebsbehandlungen einen Namen gemacht hat, allerdings nicht nur einen guten. Der Klinik wird vorgeworfen, gutgläubige Patienten von konventionellen Therapien abgeraten zu haben, zugunsten einer homöopathischen Behandlung.  

Wer sagt es ihm? Chlordioxid ist nicht zum Einnehmen

Der Referent Andreas Kalcker ist weder Mediziner noch Pharmazeut. Er verkauft Mittel, die man zum Putzen im Badezimmer benötigt. Dummerweise empfiehlt er Menschen, die Mittel als Medikament einzunehmen: Chlordioxidlösung (CDL) zum Beispiel ist auch als Miracle Mineral Supplement (MMS) bekannt. Kalcker wird darüber aufklären, wie der "Immunbooster CDL als Grundlage einer Homöopathie Behandlung" wirken soll. In der Szene wird CDL in Form einer 0,3 prozentigen Lösung empfohlen. Leider sind wir dabei von einer homöopathischen Verdünnung noch weit entfernt - die als "Medizin" angebotene Verdünnung übersteigt den gesetzlich zugelassenen Wert von Chlordioxid in Wasser immer noch um den Faktor 10.000. Die Propaganda der Chlorbleichen-Vermarkter ist leider alles andere als lustig. In zahlreichen Ländern sind schwere Vergiftungen und Todesfälle dokumentiert, die auf die Einnahme der vermeintlichen Medizin zurückzuführen sind. 

Aurachirurg verkauft auch heilsame QR-Codes gegen Long-Covid

Der Arzt Matthias Künlen ist in der Chirurgie tätig und macht sich die Finger bei Operationen nicht schmutzig. Das ist das Geheimnis der Aurachirurgie, in das Künlen beim Kongress sicherlich Einblick geben wird. Wir hoffen nur, dass ein weiterer Schwerpunkt Künlens dabei nicht zu kurz kommt. Künlen verkauft über einen Webshop QR-Codes, die es in sich haben. Sie sind nämlich "Medicodes". Der Patient kann sich diese im Webshop einfach bestellen. Die Heilung tritt ein, indem man Wasser trinkt, das man ein wenig über dem Briefchen mit dem heilsamen QR-Code ruhen lässt. Die Sache ist nicht teuer. Den QR-Code gegen ein Ekzem gibt es um schlanke zehn Euro, der Code zur "Konstitutionsstärkung zur Verhinderung einer Infektion" mit dem Corona-Virus schlägt sich mit immer noch schlanken 19 Euro zu Buche. Für die Erstellung eines digitalen Codes zur Behandlung von "Long Covid" muss sich Künlen dann doch ein wenig mehr hineinknien und erlaubt sich, 29 Euro in Rechnung zu stellen. (Christian Kreil, 10.3.2022)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. 2021 erschien sein Buch "Fakemedizin".

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