Würde wohl auch ohne Internet auskommen: Wladimir Putin.

Foto: IMAGO/Nikolas Kokovlis

Eines haben die vergangenen Tage eindeutig gezeigt: Auch das russische Internet ist deutlich stärker von ausländischen Diensten abhängig, als es den Machthabern im Kreml recht sein dürfte. Der Rückzug vieler westlicher Firmen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu gehörigen Problemen im russischen Internet geführt – parallel zur immer schärfer werdenden Zensur durch die Medienaufsicht Roskomnadsor, die mittlerweile etwa Facebook verboten hat.

Unabhängigkeit

Das führt nun zu eilig ausgerufenen Gegenmaßnahmen. Wie russische Medien berichten, hat die Regierung ein neues Maßnahmenpaket beschlossen, dessen Ziel es ist, eigene Dienste unabhängiger vom Westen zu machen. Diese Anordnung dürfte bei vielen russischen Behörden und Unternehmen für einigen Stress in den kommenden Tagen sorgen.

Bis Freitag müssen demnach sämtliche staatlichen Webseiten auf lokale Dienste bei der von ihnen verwendeten Infrastruktur ausweichen. So wird beispielsweise das Hosting auf ausländischen Plattformen – also etwa auch in den Clouds von Firmen wie Microsoft, Google oder Amazon – verboten.

Keine fremden DNS, kein Analysetools

Zudem müssen sämtliche staatlichen Dienste auf die Nutzung von in Russland angesiedelten DNS-Servern umgestellt werden. Diese dienen der Zuordnung der im Internet zentralen numerischen IP-Adressen zu lesbaren Domain-Namen (also etwa derStandard.at). Auch der Einsatz von ausländischen Analysediensten zur Auswertung der Nutzeraktivitäten wird verboten. Zudem warnt man vor eingebetteter Werbung, über die derzeit viele der Attacken gegen russische Seiten vorgenommen würden.

Mit diesem Maßnahmenbündel sollen Regierungsseiten also nicht zuletzt widerstandsfähiger gegen von außen kommende Cyberangriffe werden. Hacktivisten haben seit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine immer wieder Regierungsseiten angegriffen und in die Knie gezwungen. Einzelne dieser Seiten hatten daraufhin mit einer kompletten Blockade von Internetzugriffen aus dem Ausland reagiert und so die Attacken ins Leere laufen lassen. Das klappt aber nur dann lückenlos, wenn die Seite selbst von ausländischen Diensten unabhängig ist.

Vorerst keine vollständige Abspaltung

Zunächst zu diesen Schritten verbreitete Berichte, dass Russland plane, sich komplett vom Internet abzuspalten, dementiert der Kreml hingegen – und sie scheinen auch zumindest so kurzfristig unrealistisch. Dass Russland unter dem Namen "Runet" seit Jahren immer wieder eine temporäre Abtrennung vom Internet testet, ist zwar bekannt, dies ist aber vor allem für den Notfall gedacht, und da auch primär für militärische und staatliche Strukturen. Die Systeme von Unternehmen sind hingegen auch in Russland eng mit westlichen Plattformen verwoben, das lässt sich auf die Schnelle nicht ändern.

Kritik an Sanktionsaktivismus

Der Umstand, dass sich nun ein westliches Unternehmen nach dem anderen aus Russland zurückzieht, ist dabei auch im Westen alles andere als unumstritten – vor allem wenn es dabei um zentrale Infrastrukturdienste geht, die dies ohne Not tun.

So übt etwa Eva Galpin von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) schwere Kritik an der Firma Cogent. Deren Rückzug aus Russland würde viele Russen vom Internetzugang und somit auch von unabhängigen Informationen abtrennen. Damit würde man die schmutzige Arbeit für Putin erledigen, argumentiert Galpin.

Wichtige Rolle

Cogent ist eine jener Firmen, die der breiten Masse wenig sagen, die für den Betrieb des Internets aber unerlässlich sind. Als Backbone-Provider laufen 25 Prozent des weltweiten Internetverkehrs über Cogent. Zu den Kunden in Russland zählten etwa der Telekomanbieter Rostelecom, aber auch die Mobilfunker Megafon und Veon. Entzieht Cogent diesen nun seine Dienste, ist das ein schwerer Schlag für die jeweiligen Anbieter – und deren Kunden. Damit dürften die Internetverbindungen in Russland langsamer und weniger zuverlässig werden.

Das kritisierte Unternehmen hatte hingegen argumentiert, dass man mit dem Schritt verhindern wolle, dass der russische Staat die eigene Infrastruktur für Cyberangriffe und zur Verbreitung von Desinformationen nutzt. Zudem folge man so den Sanktionen der USA und der EU. (Andreas Proschofsky, 7.3.2022)