Die Stunde null markiert eine Uhr. Der schlicht mit Chronograph 1 betitelte, puristisch-schwarze Zeitmesser war das erste Produkt, das Ferdinand Alexander Porsche mit seinem 1972 gegründeten Designstudio entwarf. Eine Auftragsarbeit für verdiente Mitarbeiter von Porsche. Ausgerechnet. Hatten sich doch die Familien Porsche und Piëch kurz davor nach internen Verwerfungen aus dem operativen Geschäft des Sportwagenherstellers zurückgezogen. Man hielt zwar noch Anteile an der neu geschaffenen Porsche AG, war aber fürs Erste raus dem Geschäft.

1972 startete Ferdinand Alexander Porsche, Schöpfer des 911er, mit seinem Designstudio eine zweite Karriere.
Foto: Porsche Design

Wie sich F. A., wie er kumpelhaft genannt wird, wohl dabei fühlte? Immerhin hatte er mit dem legendären 911er knapp ein Jahrzehnt davor jenes Auto entworfen, das bis heute das Aushängeschild und der Leitstern des Sportwagenherstellers ist. War er enttäuscht? Beleidigt? Gar erleichtert?

Weil er nun sein Augenmerk auf andere Produktkategorien außerhalb der Sportwagenwelt richten konnte? Fest steht, dass sich sein Designstudio, ab 1974 in der Ruhe von Zell am See angesiedelt, nahe dem familieneigenen Anwesen und weit weg vom Lärm und dem finanziellen Druck in Stuttgart-Zuffenhausen, in den letzten 50 Jahren zu einem fixen Begriff in der Designwelt entwickelte. Und Porsche Design zu einer renommierten Lifestyle-Marke.

Ein Studio zu betreiben, in dem wirtschaftliche Überlegungen an zweiter Stelle standen, war nur mit einem kleinen Team möglich. Am Anfang waren es zwei, drei Mitarbeiter. Heute sind es nur rund 20. Sie fühlen sich nach wie vor dem Denkansatz des Gründers verpflichtet: "Wenn man die Funktion eines Objekts analysiert, wird dessen Form offensichtlich."

Dieser Satz wurde ebenso wenig verändert wie sein Arbeitszimmer. Es sieht, versichert man, noch genauso aus, wie F. A. es nach seinem letzten Arbeitstag verlassen hat. "Man könnte den Eindruck gewinnen, dass er nur kurz aufgestanden ist, um sich einen Kaffee zu holen", schildert Rolf Bergmann, der das Büro des Gründers, dessen Todestag sich heuer im April zum zehnten Mal jährt, als Nukleus des Unternehmens bezeichnet.

Präzisionswerkzeug

Bergmann leitet die Porsche Design Timepieces AG, die 2014 in Solothurn, Schweiz, gegründet wurde. Ein Schritt, der die Bedeutung des Themas Uhren für das Studio, das seit 2017 zu hundert Prozent zur Porsche AG gehört, noch einmal unterstreicht: Keine andere Automarke leistet sich den Luxus einer eigenen Uhrenproduktion. Der Chronograph 1, der aus Anlass des Jubiläums in einer Sonderedition neu aufgelegt wird, sei eben nicht nur das erste Produkt des Studios gewesen, sondern auch die erste schwarze Uhr überhaupt, betont Bergmann noch einmal dessen historische Bedeutung. Heute hat so gut wie jede Marke ein entsprechendes Modell im Programm.

Das Thema Uhren wird zum 50-Jahr-Firmenjubiläum neben Sondereditionen des 911er, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Unter anderem mit dem Chronograph 1 – 1972 Limited Edition.
Foto: Porsche Design

Der Chronograph 1 zeugt aber auch davon, das sich F. A. Porsche nie ganz von seinen Wurzeln löste. Er habe sich beim Entwurf des schnörkellosen Zeitmessers an den Instrumenten am Armaturenbrett eines Sportwagens orientiert, sagt Bergmann: Da wie dort sollte nichts den Blick vom Wesentlichen ablenken. Porsche, der Uhren liebte, sah in ihnen ein Präzisionswerkzeug, kein Schmuckstück. Er setzte auf Nüchternheit: Die Uhr – bis dahin ein golden glänzendes Statussymbol – hatte all ihren schönen Schein verloren. 1980 brachte man in Kooperation mit IWC Schaffhausen die erste Titanuhr auf den Markt. Das leichte, nahezu unverwüstliche, sehr technisch anmutende Material, das auch im Sportwagenbau eingesetzt wird, wurde erst später von anderen Marken entdeckt.

Einzelne Schaltwippe

Dass das Rennauto als Inspirationsquelle noch nicht ausgedient hat, sieht man auch an dem 2017 vorgestellten Modell Monobloc Actuator: Anstelle der vertrauten Drücker verfügt der Chronograf bei der Stoppfunktion über eine einzelne Schaltwippe, abgeleitet vom Rennmotor des Porsche 911 RSR.

"Wenn es so etwas wie ein deutsches Designverständnis gibt, dann gehört Porsche Design sicher zu den Repräsentanten dieser Haltung", erklärt Roland Heiler, Chef des Designstudios. Ein Verständnis, das sich durch Zeitlosigkeit, Einfachheit und Schlichtheit auszeichnet.

Sportschuhe, Sonnenbrillen, Laptops: Die Formensprache von Porsche Design lässt sich auf so gut wie jede Produktkategorie umlegen.
Foto: Porsche Design

Heiler spannt in diesem Zusammenhang einen Bogen vom Bauhaus über die Hochschule für Gestaltung in Ulm mit so namhaften Designern wie Max Bill und Otl Aicher und über Dieter Rams und Richard Sapper bis hin zu F. A. Porsche und in weiterer Folge bis in die Gegenwart – und die Zukunft: "Das waren alles Leute, die Epochales geschaffen haben. Sie sind Vorbilder für uns, Designer, denen wir uns bei Porsche Design und beim Studio F. A. Porsche geistig verbunden fühlen", erklärte Heiler in einem Interview mit dem Onlinemagazin 2030. Dabei hatte F. A. durchaus einen Sinn für das Sinnliche: "Einen typischen Porsche kann man anfassen. Er hat einen Körper. Er ist eine Sie", sagte er.

Im Gegensatz zu anderen Designstudios, die sich auf die ästhetischen Welten ihrer Kunden einlassen, zieht Porsche Design die ihr in die Wiege gelegte Formensprache durch. Sie ist das krasse Gegenteil des dekorativen Designs. Modische Trends sind kein Thema. Wiewohl es hie und da gelang, einen Trend zu setzen. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang die erste Sonnenbrille mit Wechselglasmechanismus, die P’8478, oder die P’8479, eine Sonnenbrille wie ein Visier, an der auch Yoko Ono Gefallen fand. Es folgten Sportschuhe, Kugelschreiber, eine Wasserpfeife ...

Luxusabsteige

Das Studio entwarf und entwirft aber nicht nur Dinge, die unter der Marke Porsche verkauft werden. Für Siemens gestaltete man Designer-Haushaltsgeräte. Mit Wienerberger brachte man Dachziegel auf den Markt. Für Panasonic eine Waschmaschine. Dem Studio gelang es, selbst banalen Dingen eine bestimmte Eleganz zu verleihen. Einerseits. Andererseits wurden kritische Stimmen laut, die Porsche Design Beliebigkeit attestierten.

Die erste Sonnenbrille mit Wechselglasmechanismus.
Foto: Porsche Design

Hinzu kam die Befürchtung, dass sich das Unternehmen verzettle. So verfolgten einige Manager "interessante" Ziele. Sie wollten aus dem Unternehmen einen Highend-Luxus-Anbieter machen, stark in den Modebereich investieren und das Boutiquennetz massiv ausbauen.

Ambitionen, unter die ein Schlussstrich gezogen wurde. Dafür sorgte Jan Becker, der seit 2016 bei Porsche Design in Ludwigsburg, dem das Studio in Zell am See angehört, am Ruder ist. Er war damals der dritte Chef der Designschmiede innerhalb von zwei Jahren. Er wolle nicht mehr "auf allen Hochzeiten tanzen", bekundete er gegenüber dem Handelsblatt.

Becker arbeitet seit über 20 Jahren bei Porsche, kennt das Unternehmen in- und auswendig. Unter anderem war er maßgeblich für die nicht einfache Vermarktung des Cayenne verantwortlich, des ersten Geländewagens von Porsche. Der Betriebswirt beendete auch die Frauenmodelinie, mit der sich sein Vorvorgänger mit den Guccis und Louis Vuittons dieser Welt messen wollte, wie es heißt.

Der Porsche Design Tower in Florida: Bald soll es auch Porsche Design Hotels geben.
Foto: Porsche Design

Nun konzentriert man sich wieder auf Produkte für Männer, die sich nicht unbedingt einen Porsche leisten müssen oder können, sich aber gerne mit der Marke schmücken: Das reicht eben von Uhren, Smartphones und Brillen über den Mode- und Sportbereich bis hin zur Sparte Leder und Gepäck. Auch für das 50-Jahr-Jubiläum gibt es eine entsprechende männerlastige Kapselkollektion.

Neuerdings gibt es auch Pläne für luxuriöse Porsche-Design-Hotels. Hier macht man gemeinsame Sache mit Steigenberger. 2024 soll es so weit sein. Immerhin hat man mit den Porsche Design Towers in Stuttgart und Miami bereits bewiesen, dass man die Designphilosophie auch auf die Architektur umlegen kann. Möge die Übung gelingen.(Markus Böhm, RONDO, 13.3.2022)

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