Patrick Mayrhofer (Mitte) kann mit seiner Michelangelo-Hand ordentlich zupacken, wenn es bei Ottobock eine Prothese anzupassen gilt.

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Patrick Mayrhofer hat viel zu tun. Besonders bei den Paralympics in Peking. Der Oberösterreicher ist in China in einer Doppel-, ja Dreifachrolle: Einerseits kümmert er sich um die Beschaffenheit der Snowboards der Athleten Bernhard Hammerl und Rene Eckhart. Darüber hinaus unterstützt er die beiden auch mit seiner sportlichen Expertise – bei den Paralympics 2018 in Pyeongchang holte Mayrhofer selbst Silber im Banked Slalom, 2015 wurde er Behindertensportler des Jahres, gewann mehrfach den Gesamtweltcup. Er beendete seine Karriere 2019.

Prothesenwerkstatt

Wenn Mayrhofer in China nicht im Schnee oder im Serviceraum steht, arbeitet der 34-Jährige in einer der drei Werkstätten des Prothesenunternehmens Ottobock. Alle Athletinnen und Athleten der Paralympics können dort hin, wenn ihre künstlichen Körperteile, ihre Prothesen, nicht das tun, was sie sollen.

Die Werkstätten sind von 8 bis 21 Uhr besetzt. "Die Athleten kommen zu uns, wenn ihre Prothesen nicht funktionieren. Mit dem Cheftechniker wird dann besprochen, ob man reparieren, austauschen oder gar nichts machen kann. Das kommt aber zum Glück selten vor", sagt Mayrhofer. Das Ziel sei es, die "Athleten wettkampffähig zu halten".

Im Idealfall sieht das so aus: "Vor ein paar Tagen kam ein Japaner in die Werkstatt. Er hat eine Oberschenkelamputation und ein Sportkniegelenk von uns. Sein Problem: Der Stoßdämpfer war kaputt und das Öl lief aus. Wir konnten es zwar nicht reparieren, hatten aber einen Ersatzfuß da. Im Wettkampf schaffte er es auf Platz fünf. Das sind schöne Momente."

Der Unfall

Wer viel zu tun hat, hat auch viel zu denken. An den Unfall, der sein Leben verändern sollte, denkt Mayrhofer, der in Wien lebt und als Techniker bei Ottobock arbeitet, aber nicht mehr. 2008 kam der gelernte Elektrotechniker auf einer Baustelle in einem Zementwerk in Niederösterreich in einen 6000-Volt-Stromkreis.

Die Eintrittsstelle war am rechten Oberschenkel, der Strom floss durch den Körper und an der rechten Hand und am linken Unterarm wieder raus, verursachte drittgradige Verbrennungen. An der rechten Hand verlor Mayrhofer den Daumen und Mittelfinger. Der linke Unterarm war unbrauchbar, Nerven, Muskeln und Sehnen gingen verloren, die linke Hand war ohne Funktion und ohne Gefühl – neun Wochen Krankenhaus, sechs davon auf der Intensivstation.

Zwei Jahre nach seinem Unfall entschied sich Mayrhofer zu einer Amputation: "Es war ein Aha-Moment, als ich die Michelangelo-Hand erstmals sah. Die Prothese konnte öffnen und schließen, während meine eigene Hand nur leicht zuckte." Es sei schon ein drastischer Schritt, ein Körperteil durch ein Stück Technik zu ersetzen, "aber es hat geklappt".

Bewegung denken

Die Michelangelo-Hand ist eine myoelektrische Handprothese, das heißt zwei Elektroden liegen auf dem Unterarm an. Wenn Mayrhofer an eine Handauf- oder Handzubewegung denkt, zuckt der Muskel unter der Haut. Es entsteht eine Spannung, die von den Elektroden verstärkt und als Steuersignal für die Prothese verwendet wird. Mayrhofer muss dabei aktiv an die Bewegung denken: "Nur im Gehirn daran zu denken, ist zu wenig. Ich muss den Muskel aktivieren."

Weitspringer Markus Rehm.
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Immer wieder gab es im Spitzensport Diskussionen um die Integrierung von Sportlerinnen und Sportlern, die auf Prothesen angewiesen sind. Der Südafrikaner Oscar Pistorius durfte auf seinen "Cheetahs" genannten Prothesen nicht zu den Olympischen Spielen, 2021 wurde dem deutschen Weitspringer Markus Rehm ebenfalls eine Teilnahme versagt.

Nach Mayrhofers Ansicht gibt es "sicher Sportarten, bei denen man mit einer Prothese einen Vorteil haben könnte". Aber auch: "Der menschliche Körper ist so etwas Geniales, dass man auch durch die aktuelle Technologie bei weitem nicht herankommt. Ich persönlich finde es gut, dass man gesunde Athleten und Athleten mit Behinderung in getrennten Wettkämpfen antreten lässt." (Andreas Hagenauer aus Yanqing, 8.3.2022)