Ex-Ministerin Sophie Karmasin wurde vorigen Freitag in U-Haft genommen, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

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Wien – Manchmal ist es anders, als es scheint: Wer über die "Office"-E-Mail-Adresse Kontakt mit dem Meinungsforschungsinstitut Research Affairs nehmen wollte, landete nicht bei dessen Gründerin Sabine B., sondern bei Sophie Karmasin – obwohl die offiziell damit überhaupt nichts zu tun hatte.

Ausschließlich Karmasin, die von 2013 bis 2017 von der ÖVP nominierte Familienministerin war, hatte auf dieses Postfach Zugriff, erklärte B. den Ermittlern im vorigen Oktober. "Sie sagte, sie könne unter ihrem Namen nicht alle Studien durchführen", gab B. zu Protokoll und dass sie nicht wisse, wofür Karmasin "die Adresse genau nutzte". Wie berichtet hat Karmasin in jener Zeit, in der sie Ministerin war, Aufträge an B. vermittelt und dafür Provision kassiert.

B.s Firma ohne deren Wissen verwendet?

Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik führte Karmasin wieder selbst Studien durch – allerdings nicht nur unter dem Namen ihres eigenen Unternehmens, sondern auch bei Research Affairs, sagte zumindest B. aus. So habe die Ex-Ministerin 2019 eine erste Studie für einen Lebensmittelhändler über B.s Research Affairs abgerechnet, obwohl B.s Leistungen dafür minimal gewesen seien.

Die Auftragssumme: 46.700 Euro. Im Jahr 2021 wiederholte sich das, auch der Auftraggeber war wieder der gleiche. 81.600 Euro netto habe man daraus an Umsatz gemacht. "Karmasin hat meine Firma ohne mein Wissen für diesen Auftrag verwendet", sagte B., die ihrer "Mentorin" danach, als die wegen der Rückvergütung auf den Plan trat, gesagt haben will, dass das so nicht gehe. Ob die Sache damit ein Ende hatte? Nein, denn sie, B., habe sich aufgrund ihres "Abhängigkeitsverhältnisses" zu Karmasin überreden lassen, das hinzunehmen und die Rückvergütungen durchgeführt.

Auftrag für "eigenen" Verein

Geht es nach B., dann hätte Karmasin dieses Arbeitsmodell auch noch kurz vor den Razzien in dieser Causa Anfang Oktober in Betrieb gehabt.

Damals habe Research Affairs wieder eine Anfrage für eine von Karmasin in die Wege geleitete Studie bekommen; Auftraggeber wäre über eine PR-Agentur der Verein "Unternehmen Zukunft – Verein zur Förderung von Familienfreundlichkeit in Unternehmen" gewesen.

Das Pikante daran: In dem gemeinnützigen Verein ist Karmasin Geschäftsführerin. Wie es dann weitergegangen sei: Karmasin habe das Angebot vorformuliert, B. habe es an die Agentur geleitet und Vereinschefin Karmasin den Auftrag an Research Affairs vergeben. Als sie Karmasins Doppelrolle erkannte, sei sie "wütend" gewesen, sagte B. Ob die Studie mit dem Auftragswert von 13.600 Euro umgesetzt wurde, sei ihr nicht bekannt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Unabhängige Initiative

Bei dem Verein handelt es sich laut Homepage um eine "unabhängige Initiative mehrerer österreichischer Unternehmen". Mitglieder sind zum Beispiel teilstaatliche Casinos Austria AG und Lotterien, die Österreichische Post, Verkehrsbüro sowie Technologie- und Telekom-Unternehmen. Verantwortliche des Vereins, dessen Homepage wegen Wartungsarbeiten gerade offline ist, waren am Donnerstagnachmittag zunächst nicht zu erreichen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 7.3.2022)