Das außerirdische Leuchtturmprojekt internationaler Kooperation ist in die Jahre gekommen, technische Alterserscheinungen sind aktuell aber das geringste Problem der Internationalen Raumstation (ISS). Der seit bald 22 Jahren durchgängig bewohnte Außenposten im Erdorbit könnte noch locker bis Ende des Jahrzehnts betrieben werden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine scheint die Zukunft der Station, die einst eine Annäherung zwischen Russland und den USA nach dem Kalten Krieg symbolisierte, aber mehr als ungewiss.

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Rund 400 Kilometer über der Erde zieht die Internationale Raumstation ihre Runden. Wie es mit ihr weitergeht, ist unklar.
Foto: Reuters

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs hatten die russische Raumfahrtagentur Roskosmos und ihr US-amerikanischer Gegenpart Nasa betont, laufenden Verpflichtungen nachkommen und auf der ISS weiterhin kooperieren zu wollen. Gleiches gilt für die Agenturen Europas, Japans und Kanadas, die ebenfalls an der ISS beteiligt sind. Doch seither hat sich der Ton merklich verändert, vor allem auf russischer Seite.

Es seien russische Motoren, die die ISS in ihrer Umlaufbahn hielten, sagte Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin im Kontext westlicher Sanktionen gegen Russland – und schickte eine bemerkenswerte Drohung hinterher: "Wer wird ohne uns die ISS vor einem möglicherweise unkontrollierten Absteigen aus der Umlaufbahn und einem Absturz auf amerikanisches oder europäisches Territorium bewahren?"

Marsflug unwahrscheinlich

Vergangene Woche endete dann die Zusammenarbeit von Roskosmos und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die deutsche Forschungsinstitution, die auch die Raumfahrtagentur der Bundesrepublik ist, kündigte ihre Zusammenarbeit mit Roskosmos auf – mit Ausnahme gemeinsamer ISS-Projekte. Die Antwort aus Moskau: Die deutsche Seite habe die Beziehungen irreparabel beschädigt, eine Durchführung gemeinsamer wissenschaftlicher Experimente auf der ISS sei unmöglich.

Zuvor hatte Roskosmos als Reaktion auf westliche Sanktionen bereits die Arbeit auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana eingestellt. Seit 2011 waren von dort auch russische Trägerraketen mit Satelliten in den Erdorbit geflogen. Der für April geplante Start zweier europäischer Galileo-Navigationssatelliten ist damit vorerst hinfällig.

Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) legte indes eine lange geplante Marsmission auf Eis: Der Start eines europäischen Marsrovers, der im September mit einer russischen Rakete hätte abheben und 2023 auf einer russischen Plattform auf unserem Nachbarplaneten landen sollen, sei sehr unwahrscheinlich, heißt es von der Esa. "Wir bedauern die tragischen Ereignisse in der Ukraine, eine Krise, die dramatisch zu einem Krieg eskalierte", schrieb Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher auf Twitter. "In Anbetracht der von den Regierungen unserer Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen werden derzeit bei der Esa viele schwierige Entscheidungen getroffen."

Spannungen im Erdorbit

Dazu dürfte auch eine Planänderung für den nächsten Astronautenstart zur ISS im April zählen. Die Italienerin Samantha Cristoforetti, die die nächste Kommandantin der Internationalen Raumstation hätte werden sollen, bekommt eine andere Rolle: Sie soll "Leiterin der amerikanischen, europäischen, japanischen und kanadischen Module und Komponenten der Raumstation" werden, also aller Bereiche der ISS mit Ausnahme des russischen Teils. Bisher gab es diesen Job nicht.

Über die aktuelle Stimmung auf der Raumstation, auf der sich zwei Russen, drei Amerikaner, eine Amerikanerin und ein Deutscher aufhalten, lässt sich nur mutmaßen. Eine für vergangenen Donnerstag geplante Liveschaltung zum deutschen Astronauten Matthias Maurer wurde abgesagt. Auf Twitter äußerte sich seit Kriegsbeginn kein Crewmitglied zur Lage auf der Erde.

Abgekoppelte Kosmonauten

Am 22. Februar schrieb der Russe Anton Schkaplerow, der aktuell ISS-Kommandant ist, aber noch von einem "Feiertag für alle, die die Grenzen unseres riesigen Heimatlandes verteidigen". Unmittelbar davor hatte Russlands Präsident Putin in einer Brandrede die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete angekündigt und die Souveränität der Ukraine infrage gestellt.

Wie geht es nun weiter mit der ISS? Eine russische Nachrichtenagentur verbreitete ihren Wunsch dazu am Wochenende als Videomontage: Zu sehen ist darin, wie sich die russischen Raumfahrer von der Crew verabschieden, das russische Segment von der Raumstation abkoppeln und unter Applaus aus dem Roskosmos-Kontrollzentrum davonfliegen, während der übrige Teil der ISS an Höhe verliert.

(David Rennert, 8.3.2022)