Moritz Baier betreibt das Café Liebling in Neubau. Nun will er das Bellaria mit einem Gastro-Kino-Konzept wiederbeleben.

Foto: KARIN_GRUBER

Wer das Bellaria-Kino heute betritt, fühlt sich wie im falschen Film. Seit über zwei Jahren hat niemand die gemütlichen, wenngleich eingestaubten Sessel nach unten geklappt. Das für Kinosäle typische gedämmte Licht lässt sich zwar einschalten, an die einst daneben montierten Lautsprecher erinnern aber nur noch Kabel, die aus der Wand hängen.

Ende 2019 hat der damalige Besitzer Erich Hemmelmayer zur finalen Filmvorführung mit Hallo Dienstmann eine Wiener Verwechslungskomödie mit Hans Moser und Paul Hörbiger ausgewählt. Danach hat er die Türen zu einem der ältesten Kinos Wiens geschlossen. Es sei sich wirtschaftlich nicht mehr ausgegangen, sagte Hemmelmayer.

Warme Möbel, kalte Temperaturen

Der leuchtende Bellaria-Schriftzug hängt trotzdem noch über dem Eingang. Ein Großteil der Einrichtung ist ebenfalls noch da. Kinosessel, Vorhang und Leinwand scheinen geduldig auf ihren nächsten Einsatz zu warten. Allein die Heizkörper strahlen keine Wärme aus. Dementsprechend ungemütlich sind die Temperaturen im Einsaalkino.

Geht es nach Michael Stejskal, soll sich das aber schon bald ändern. Der Geschäftsführer von Votivkino und De France will auch im Bellaria bald wieder richtig einheizen.

Die Betreiber des Café Liebling und Burggasse 24 in Wien-Neubau, Moritz Baier und Daniel Botros, haben ihm ein Gastro-Kino-Kombi-Konzept vorgeschlagen und ihn damit offenbar überzeugt. Das Lokal inklusive Schanigarten soll auch außerhalb der Spielzeiten geöffnet sein.

Ein Crowdfunding soll das Bellaria-Kino wiederbeleben.
Foto: KARIN_GRUBER

Läuft alles nach Plan, könnten Ende des Jahres wieder Filme laufen. Die dafür benötigte Sanierung soll neben Eigenmitteln via Crowdfunding finanziert werden.

Das Bellaria-Team will nach einem Dreistufenplan vorgehen. Die erste Schwelle liegt bei 95.000 Euro, "damit wir überhaupt wieder aufsperren können, brauchen wir neuen Schallschutz und Kinotechnik". Kommen 135.000 Euro zusammen, gehe sich eine neue Lüftung aus. Mit 165.000 Euro wäre auch eine neue Bestuhlung drin.

Goodies für Spenderinnen und Spender

Noch bis 1. April können sich Interessierte am Renovierungsprojekt beteiligen. Bisher läuft das Crowdfunding gut, die erste Schwelle ist schon fast erreicht. Um Spenderinnen und Spender zu locken, bietet das Bellaria-Team allerlei kreative Goodies.

Neben Sesselpatenschaften (bereits ausverkauft) und exklusiven Kinoabenden für zwei kann auch die Organisation von insgesamt zehn Heiratsanträgen erworben werden – ein Geldgeber habe das Angebot bereits gebucht.

Liebhaberprojekt Programmkino

Die Kampagne diene als Anstoßfinanzierung, um einen Teil der notwendigsten Kosten abzudecken, den man nicht wieder hereinspielen kann. Laut Stejskal müssen mindestens 250.000 Euro investiert werden – und damit sei man eher an der unteren Kostengrenze.

Das Bellaria sei ein Liebhaberprojekt. Große kommerzielle Erwartung habe er keine, darum gehe es ihm nicht. Nach der Renovierung will er aber zumindest eine schwarze Null schreiben.

Gartenbaukino mittels Crowdfunding saniert

Dass eine Teilfinanzierung durch Crowdfunding funktionieren kann, hat Norman Shetler, Geschäftsführer des Gartenbaukinos am Wiener Ring, vergangenes Jahr bewiesen. Für die Generalsanierung, bei der Denkmalschutz mit moderner Haustechnik, Elektrik sowie Lüftung unter einen Hut zu bringen war, musste Kapital lukriert werden.

Die Förderung der Stadt Wien, des Bundes und Sponsorengelder reichten nicht aus – schlussendlich fehlten immer noch rund 240.000 Euro. Während des Crowdfundings wurden etwa Kinotickets oder Sesselpatenschaften angeboten.

Rund ein Drittel der Sessel ist nun mit Namensplaketten – darunter auch Tick, Trick und Track – versehen. 2100 Menschen haben einen Obolus geleistet. Ein Gang zur Bank blieb dem Geschäftsführer somit erspart. "Das hat uns enormen Rückenwind gegeben", sagt er.

Wiener Traditionsorte

Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt hätten eine starke emotionale Verbindung mit den Kulturorten ihrer Jugend. "Das ist sehr erfreulich und zeigt sich jetzt wieder mit dem Bellaria-Kino. Die Menschen wollen Ort und Namen erhalten."

Mit seiner Eröffnung 1911 zählt das Bellaria mittlerweile zu den ältesten Kinos in Wien. Um die Menschen trotz Fernsehers im Wohnzimmer wieder ins Kino zu locken, hatten die Betreiber des Hauses hinter dem Volkstheater in den 1970er-Jahren eine einfache und doch geniale Idee: Sie spielten Filme aus den 1930er- bis 1950er-Jahren und somit die Jugendfilme vieler älterer Menschen.

Der Plan ging auf, der Kinobesuch wurde zum sozialen Happening. "Das Bellaria-Kino war ein Ort der Begegnung, ein Treffpunkt für großteils alleinstehende Menschen, um Filme aus ihrer Jugendzeit gemeinsam zu erleben", sagt Stejskal.

Er selbst war einige Male dort, um "die Atmosphäre dieses besonderen Ortes zu spüren. Das Kino war eine Legende und immer einen Besuch wert."

"Corona hat uns nicht gekillt"

Damit Programmkinos überleben, müsse man sich immer wieder etwas einfallen lassen, weiß auch Johannes Wegenstein. Seit über 26 Jahren bespielt er das Top-Kino in Mariahilf und das Schikaneder in Wieden.

"Das Kino wird noch lange leben", ist sich Wegenstein sicher – auch deshalb, weil seine beiden Betriebe schon viele Male totgesagt wurden. "Die Pandemie war natürlich hart, aber auch Corona hat uns nicht gekillt."

Das liege zum Großteil an den Förderungen von Bund und Stadt. Zur Erklärung: Die Stadt Wien fördert laut eigenen Angaben 13 Programmkinos mit einem Jahresbudget von 320.000 Euro.

Die Kinos erhalten eine Basisförderung von 15.000 Euro plus 12.000 Euro Förderung für kinokulturelle Projekte wie etwa das Babykino im Votivkino. Während der Pandemie bot die Stadt einen weiteren Fördertopf, gefüllt mit einer Million Euro.

Junges Publikum

Als die intensiven Fördermaßnahmen Anfang des Jahres ausliefen, war Wegenstein skeptisch, ob die Filmfans ins Schikaneder und ins Top-Kino zurückkommen würden. Stejskal und Shetler erging es ähnlich.

Das Fazit der Kinobetreiber ist aber durchaus positiv. Wegenstein: "Wir sind auf dem Boden der Realität angekommen, und es ist uns irgendwie gelungen, dass alles wieder läuft."

Wegenstein bemerkt, dass es derzeit vermehrt ein junges Publikum ins Kino zieht. Auch für 17- bis 22-Jährige sei die soziale Komponente, gemeinsam einen Film zu sehen und darüber zu sprechen, wichtig. Das eint dann wohl alle Generationen. (Julia Beirer, 08.03.2022)