Android 12L ist da: Die Neuerungen sind vor allem für Geräte mit großem Bildschirm gedacht.

Grafik: Google

Android und Tablets: Das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte. Googles letzte wirklich ernsthafte Initiative liegt bereits ein Jahrzehnt zurück. Im Februar 2011 wurde Android 3 "Honeycomb" veröffentlicht, eine weitgehend in Vergessenheit geratene Version des Betriebssystems, die ausschließlich für Tablets entwickelt wurde und mit einer eigens für diese Geräteklasse angepassten Oberfläche aufwarten konnte.

Ein Unterfangen, das sich aber schnell als Flop herausstellen sollte. Über die Jahre ruderte Google immer weiter zurück und strich die Tablet-spezifischen Optimierungen. Zwar gab es regelmäßig Versuche, Entwickler zur Unterstützung von Geräten mit großen Bildschirmen zu bringen, dies fruchtete bislang aber nur begrenzt – und auch Googles eigene Apps lassen in dieser Hinsicht einiges zu wünschen übrig.

Android 12L

Nun gibt es einen neuen Anlauf: Mit Android 12L hat Google eine neue Version seine Betriebssystems vorgestellt, deren Neuerungen fast zur Gänze für Geräte mit großen Displays gedacht sind. Der Grund dafür ist zweierlei: Einerseits haben die Verkäufe von Tablets zuletzt – auch aufgrund der Covid-19-Pandemie – wieder deutlich zugelegt, andererseits ist Google von einer großen Zukunft der Kategorie Foldables überzeugt. Ein eigenes faltbares Smartphone des Android-Herstellers ist dem Vernehmen nach in Entwicklung. Und so nebenbei könnten natürlich auch all die Chromebooks, die in den vergangenen Jahren verkauft wurden – und das sind eine ganze Menge –, von einem besseren Android-App-Support profitieren.

Die neue Version bringt einige gezielte Anpassungen für Tablets und Foldables – hier etwa der neue Benachrichtigungsbereich.
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In der Praxis sieht das dann so aus: Es gibt eine Fülle an User-Interface-Neuerungen für ebensolche Geräte. Dazu gehört ein Taskbar, der nur bei Geräten mit mehr als 600 dp (für Android-technisch Nichteingeweihte: Geräte mit großem Bildschirm) automatisch unter dem Geschehen angezeigt wird. Dieser beinhaltet neben der klassischen Systemnavigation (falls diese statt der Gestensteuerung aktiviert ist) auch fünf ausgewählte Apps zum dauerhaften Schnellzugriff.

Multitasking

Generell bereits vorhanden in aktuellen Versionen ist ein Split-Screen-Modus. Dieser wird hier aber noch weiter ausgebaut. So können etwa Apps hier aus dem Taskbar schnell mittels Drag & Drop hinzugefügt werden. Diese App-Paare werden dann auch in der "Recents"-Ansicht der zuletzt geöffneten Apps gemeinsam angezeigt.

Die gleichzeitige Nutzung mehrerer Apps wurde verbessert, zudem rät Google Entwicklern dringend dazu, ihre Apps darauf vorzubereiten. Ebenfalls neu ist der Taskbar an der Unterseite.
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Für die Oberfläche von Google selbst gibt es ein paar Anpassungen, die man zum Teil schon von den Geräten einzelner Drittanbieter kennt. Dazu gehört, dass bei den Systemeinstellungen auf solchen Geräten automatisch ein zweispaltiges Design verwendet wird, also Kategorie und eigentliche Einstellungspunkte nebeneinander präsentiert werden.

Anpassungen

Generell wird ein solches Design künftig bei vielen System-Apps – etwa dem Setup – verwendet. Zudem rät Google auch App-Entwicklern dazu und bietet mit Android 12L diverse neue Programmierschnittstellen, um das zu erleichtern. Dazu passend wurde der Support für die gleichzeitige Nutzung mehrerer Apps ausgebaut.

Auffällig ist auch die Anpassung des Benachrichtigungsbereichs, wo jetzt Schnelleinstellungen und Notfications nebeneinander präsentiert werden. Ähnliche Optimierungen zur besseren Nutzung des Platzes gibt es in einigen anderen Bereichen, etwa beim App-Launcher oder dem Lock Screen.

Kennt man schon so von Samsung-Geräten, wird nun aber für alle vereinheitlicht: Die Einstellungen nutzen den Platz jetzt besser.
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Auch für Smartphones

Doch es gibt auch einige Detailänderungen, die für Smartphones von Interesse sind. Am auffälligsten ist dabei die Aufnahme neuer Emojis, Android 12L unterstützt jetzt den aktuellen Emoji-14.0-Standard mit 37 weiteren Designs vollständig. Zudem gibt es bei einem Langdruck auf den Homescreen – zumindest auf Pixel-Smartphones – nun einen Schnellzugriff auf die zuletzt aktivierten Bildschirmhintergründe.

Überhaupt gibt es viele solche kleinen Detailverbesserungen für das "Material You"-Design von Android 12. Das zeigt sich etwa in einigen neuen Animationen, an mancher Stelle wurden UI-Elemente an den neuen, runderen Look angepasst, und auch das haptische Feedback wurde verfeinert. Ebenfalls nicht ganz unwichtig: Das Farbsystem von "Material You", das die Highlight-Farben für die Oberfläche automatisch aus dem Wallpaper entnimmt, ist nun ein offizieller Teil des Quellcodes von Android und kann damit von anderen Herstellern direkt übernommen werden.

Pixel Feature Drop

Das mag jetzt etwas verwirrend klingen, angesichts dessen, dass es Android 12L derzeit ohnehin nur für Pixel-Smartphones von Google selbst gibt, aber: Parallel dazu hat Google auch einen neuen "Pixel Feature Drop" veröffentlicht, mit zusätzlichen Funktionen spezifisch für seine eigenen Geräte.

Dazu gehören wieder ebenso spannende wie frustrierende Verbesserungen für die Telefonie-App. So können Nutzer nun Anrufe nicht nur automatisch untertiteln lassen, sie können auch Text als Antwort eintippen, der dann dem Gegenüber vorgelesen wird. Sicher nützlich, wenn man mal gerade nicht sprechen kann. Frustrierend ist dies, weil das einmal mehr US-Nutzern vorbehalten bleibt.

Neues Widget und mehr

Für alle nützlich ist hingegen ein neues Batterie-Widget, das auch den Ladestand von verbundenen Bluetooth-Geräten anzeigt – so diese das unterstützen, versteht sich. Erweitert wurde die Sprachunterstützung für zwei der nettesten Pixel-Features: Die Aufnahme-App Recorder kann jetzt Gesprochenes automatisch auch in Spanisch und Französisch transkribieren. Ebenfalls für diese beiden Sprachen wurde die Live-Untertitelung und Übersetzungsfunktion erweitert. Mit Deutsch geht beides ohnehin bereits seit ein paar Monaten.

Für jene, die gerne Snapchat verwenden, gibt es ebenfalls eine gute Nachricht. Dort lässt sich jetzt direkt Googles Nachtsichtmodus verwenden, um die Qualität von Fotos weiter zu verbessern. Nicht alle diese Features gibt es auch für alle Pixel-Geräte, ein Teil bleibt vorerst der neuesten Hardwaregeneration vorbehalten. Eine Übersicht bietet eine von Google veröffentlichte Grafik.

Grafik: Google

Großreinemachen

Das neueste Update bringt zudem eine Fülle von Fehlerbereinigungen, denen Google ein eigenes Posting widmet. Dazu zählen kleinere Korrekturen an der Oberfläche, die alle Geräte mit Android 12 und "Material You" betreffen, ebenso wie spezifische Updates ausschließlich für Pixel 6 und Pixel 6 Pro. Einmal mehr verspricht Google etwa eine gesteigerte Performance bei der – vielkritisierten – Fingerabdruckerkennung. Zudem soll die Vorschauqualität bei der Kamera verbessert worden sein.

Sicherheitsaktualisierungen

Keine neue Android-Version ohne Sicherheitsbereinigungen, wird doch parallel zu Android 12L auch der Sicherheits-Patch-Level auf März gehoben. Die Liste fällt dabei dieses Mal recht ausführlich aus, vor allem weil neben den monatlichen Updates auch noch mal eine Reihe von weniger gefährlichen Fehlern behoben wurden, für die auf den großen Versionssprung gewartet wurde.

Im eigentlichen März-Update – das für alle Hersteller relevant ist – fällt vor allem eine, derzeit allerdings noch nicht näher beschriebene, kritische Sicherheitslücke auf, die nicht nur zum Einschmuggeln von Schadcode von außen genutzt werden kann, sondern auch noch gleich zur Ausführung dessen mit höheren Rechten, als sie Apps sonst zur Verfügung stehen. All das noch dazu ohne Zutun der User. Das klingt nach einer gesamten Exploit-Kette in einem, insofern sei ein Update bei allen Geräten, die ein solches schon haben, dringend angeraten.

Sieben kritische Lücken im Modem

Neben den üblichen kritischen Lücken in den proprietären Bestandteilen von Qualcomm fällt dieses Mal auch etwas anderes auf: Spezifisch für Pixel-Geräte sind nicht weniger als sieben kritische Sicherheitslücken in den Modem-Bestandteilen, also den Komponenten für Telefonie und mobile Datenübertragung, aufgelistet. Welche Pixel-Geräte davon betroffen sind – immerhin hat das Pixel 6 ein Samsung-Modem, während ältere noch auf Qualcomm setzen –, bleibt ebenso unklar wie Details zu den betreffenden Fehlern. Diese sollen wie gewohnt in den kommenden Tagen nachgereicht werden.

Pixel-6-User müssen wieder warten

Android 12L – oder, wie die offizielle Versionsnummer lautet, Android 12.1 – ist ab sofort für Pixel-Smartphones ab dem Pixel 3a verfügbar – der Support für Pixel 3 und älter wurde ja betrüblicherweise mittlerweile eingestellt. Doch auch hier gibt es eine Ausnahme: Die Besitzer von Pixel 6 und Pixel 6 Pro müssen sich noch etwas gedulden, hier soll die Aktualisierung erst in den kommenden Wochen folgen.

Einen Grund dafür nennt Google nicht. Google hatte generell in den vergangenen Monaten Probleme, seine neuesten Geräte auf dem aktuellen Stand zu halten, was wohl auf eine unerfreuliche Kombination aus spezifischen Fehlern und der Nutzung des eigenen SoCs – für den man mit Samsung zusammenarbeitet – zurückzuführen ist. Allerdings wirkte es zuletzt so, als habe man das endlich in den Griff bekommen, das Februar-Update kam jedenfalls bei allen gleichzeitig an.

Einen Grund für die neuerliche Verzögerung nennt Google nicht. Zumindest einen Trost gibt es: Viele der als Teil des "Pixel Feature Drop" beschriebenen Neuerungen gibt es auch für das Pixel 6 umgehend, da sie ohnehin über unabhängig aktualisierte Apps oder Systemdienste ausgeliefert werden.

Ausblick

Doch noch einmal zurück zu Android 12L: Dessen volle Leistungsfähigkeit soll sich ja eigentlich erst auf Geräten mit einem entsprechend großen Bildschirm entfalten – von denen Google eben (noch) keine im Angebot hat. Insofern ist der Hinweis wichtig, dass die neuen Funktionen in den kommenden Monaten auch auf aktuellen Geräten von Firmen wie Samsung, Lenovo und Microsoft Einzug halten sollen.

Vor allem aber: Damit sollen Googles neue Bemühungen rund um Tablets und Foldables noch nicht abgeschlossen sein. Android 12L legt hier nur die Basis, mit dem für Spätsommer geplanten Android 13 sollen weitere Optimierungen für Geräte mit großen Bildschirmen folgen. Apropos: Die nächste Testversion für Android 13 sollte bereits in Kürze folgen, eine erste Beta soll es dann bereits im April geben. Eventuell schafft es Google dann bis zur Freigabe der stabilen Version auch, die eigenen Apps besser auf Tablets und Co anzupassen – und so selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. (Andreas Proschofsky, 8.3.2022)