Das Bolschoi Theater in Moskau.

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Infolge des russischen Einmarsches in der Ukraine verlässt der Chefdirigent des weltbekannten Moskauer Bolschoi Theaters, Tugan Sochijew, seinen Posten. Zugleich lege er auch sein Amt als Musikdirektor des Nationalorchesters am Opernhaus Capitole im französischen Toulouse nieder, heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung Sochijews.

Da er zu der "untragbaren Wahl" zwischen seinen geliebten russischen und französischen Musikern genötigt worden sei, habe er sich entschieden, beide musikalische Leitungen aufzugeben. "In Europa zwingt man mich heute, eine Wahl zu treffen und ein Mitglied meiner musikalischen Familie dem anderen vorzuziehen", schrieb der 44 Jahre alte, im südrussischen Wladikawkas geborene Sochijew. Er werde gezwungen, zwischen zwei Kulturtraditionen zu wählen.

Viele Menschen hätten seine Positionierung "zu dem, was derzeit passiert", erwartet, sagte Sochijew. Die "aktuellen Ereignisse" riefen in ihm "schwierige Gefühle hervor". Er benannte den Krieg in seiner Erklärung nicht konkret. Er habe niemals bewaffnete Konflikte unterstützt und in den 20 Jahren seiner musikalischen Karriere immer mit den Opfern aller Konflikte gefühlt, betonte Sochijew, der seit 2014 Chefdirigent am Bolschoi Theater war.

Bereits seit 2005 dirigierte er im südwestfranzösischen Toulouse – zuerst als Gast und dann als musikalischer Leiter des Orchesters. Von 2012 bis 2016 war Sochijew auch Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) Berlin.

Neben Sochijew waren auch weitere russische Musikschaffende seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine unter Druck geraten, sich öffentlich zu erklären. So hatte etwa der russische Dirigent Waleri Gergijew reihenweise Engagements verloren. Auch der Druck auf die russisch-österreichische Starsopranistin Anna Netrebko wurde immer größer.

"Mutig und edel"

Der italienische Balletttänzer Jacopo Tissi will dem Moskauer Bolschoi-Ballett aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine den Rücken kehren, kündigte er am Montag an. "Ich bin wegen dieser Situation, die uns von einem Tag auf den anderen getroffen hat, schockiert und ehrlich gesagt kann ich meine Karriere in Moskau nicht fortsetzen", schrieb der Solotänzer in einem auf Instagram veröffentlichten Post.

"Kein Krieg ist gerechtfertigt. Niemals. Und ich werde immer gegen jede Art von Gewalt sein", fügte der 27-jährige Tissi hinzu.

Auch der britische Solotänzer Xander Parish, der am Mariinsky-Theater in St. Petersburg tätig ist, teilte auf Instagram mit, dass er Russland verlasse. "Mein Herz schlägt für die Menschen in der Ukraine", sagte er.

Der italienische Kulturminister Dario Franceschini bezeichnete Tissis Schritt als "mutig und edel". Im vergangenen Monat hat der russische Dirigent Valery Gergiev wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin mehrere Aufträge verloren – etwa seinen Job als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker und seinen Auftrag an der italienischen Scala. (APA, 8.3.2022)