Kindergartenkinder beim Spielen. Manche verarbeiten dabei Bilder, die sie zu Hause im Fernsehen gesehen haben.

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Demnächst dürfte es so weit sein: Ein Kindergarten der Diakonie in Wien-Margareten bereitet sich darauf vor, erste vor dem Ukraine-Krieg geflohene Kinder aufzunehmen. Die Leiterin des Standorts in der Hamburgerstraße in Margareten, Helene Lux, hat dabei ein klares Ziel vor Augen. "Wenn sie irgendwann wieder zurückkönnen, sollen sie sagen: Irgendwann waren wir in Österreich, und das war schön." Lux sagt, sie halte es für "ganz wichtig, dass die Kinder unter Kinder kommen". Verständigungsprobleme werde man bewältigen. "Wir suchen innerhalb der Diakonie gerade einen Dolmetsch, der uns einfache Sätze und Wörter übersetzen kann, die wir uns in Lautschrift aufschreiben." Sätze wie "Die Mama kommt gleich" oder "Musst du aufs Klo?". Lux plant langfristig. "Ich weiß nicht, wie lange sie bleiben werden. Ich fürchte länger, als wir derzeit annehmen."

Noch sind solche Anmeldungen in Kindergärten selten: So gibt die Stadt Wien an, an ihren Standorten aktuell noch keine ukrainischen Flüchtlingskinder zu betreuen. Um einen Kindergartenplatz zu bekommen, braucht es auch etwas Organisationsarbeit, weil eine offizielle Meldung an einer Wohnadresse gebraucht wird.

Bis in die Spielecke

Trotzdem ist der Ukraine-Krieg auch in den heimischen Kindergärten fallweise ein Thema. So haben an Lux’ Standort zwei Kinder zuletzt die Fahrzeuge, mit denen sie spielten, Panzer genannt. In einem städtischen Kindergarten spielten Kinder "Krieg". Weitere Fragen hätten sie aber nicht gestellt, gibt Gabriele Schillhab, Regionalleiterin der MA 10 Wiener Kindergärten, die Schilderung einer Kollegin von diesem Vorfall wieder. Wichtig sei, das heikle Thema mit kleinen Kindern nur dann anzusprechen, wenn Fragen kommen. Bei älteren Kindern im Hort, die ebenfalls in Schillhabs Zuständigkeit fallen, sei das Thema nun schon öfter präsent. "Auch die Frage, ob der Krieg jetzt auch zu uns kommt."

Fragen beantworten

Helene Lux hat in ihrem Kindergarten eine Elterninfo ausgesendet, in der sie Büchertipps gibt und einen Leitfaden der Diakonie, der drei Grundprinzipien für das Sprechen über den Krieg mit Kindern nennt: "Erstens: Beantworten Sie alle Fragen – und nur diese. Zweitens: Sprechen Sie offen über die Ereignisse. Drittens: Bleiben Sie sachlich, blenden Sie Gefühle aber nicht aus." Der klinische Psychologe Hannes Kolar pflichtet dem bei: Es sei wichtig, auch mit kleinen Kindern über schwierige Themen zu sprechen – wenn sie danach verlangen. Dabei müsse ein Mittelweg gefunden werden zwischen dem Tabuisieren und dem Überschütten mit Informationen.

Kolar leitet den psychologischen Dienst der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Er hat mit dem Zoom-Kindermuseum ein Erklärvideo zum Ukraine-Krieg für Kinder ab zirka fünf Jahren realisiert (kindermuseum.at, dazu siehe auch hier). "Kinder wollen und sollen auch bei schlechten Nachrichten die Wahrheit erfahren", sagt der Psychologe. Sie bekämen mit, wenn sich Eltern Sorgen machen, aber "wenn wir das tabuisieren, kennen sie sich nicht aus und trauen sich nicht nachzufragen".

In kleinen Happen

Zugleich müsse man aber aufpassen, welche Worte man wählt. Vieles ist sehr komplex, man muss es auf den kindlichen Erfahrungsschatz herunterbrechen, "Krieg" solle man zum Beispiel "Konflikt" oder "Streit" nennen. Man müsse aber aufpassen, Kinder nicht mit Ängsten zu belasten. "Grundsätzlich solle man wenige Informationen geben und dann fragen, ob das reicht oder ob das Kind mehr wissen will. Kinder verarbeiten schlechte Nachrichten immer in kleinen Happen", sagt Kolar. Vielleicht kommen sie zwei Tage später mit einer neuen Frage. Wichtig sei, dass sie wüssten, dass sie das Thema ansprechen dürften.

Eine entscheidende Rolle spielt der Medienkonsum der Eltern. Wenn Kinder zum Beispiel im Fernsehen oder auf den Handys ihrer Mamas und Papas viele Bilder sehen, die sie nicht einordnen können, könne ihnen das Angst machen. Wenn ein Kind aber ein einziges Mal etwas Schlimmes sehe, werde es nicht gleich traumatisiert.

Etwas tun kann helfen

Kindern kann es auch helfen, selbst aktiv zu werden. Zum Beispiel Kleidung oder Spielsachen aussortieren und zu einer Spendenannahme bringen. Oder kleinen Kindern kann es guttun, ein Bild zu malen.

Psychologe Kolar selbst plant als Nächstes, für ukrainische Kinder Videos zu gestalten, die bei der Enttraumatisierung helfen sollen. Darin will er sie auf Ukrainisch dazu anleiten, was sie tun können, wenn ihr Stressniveau zu hoch wird. Noch sucht er Partner für die technische Umsetzung. (Gudrun Springer, 9.3.2022)