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Ein Foto aus besseren Tagen, ohne Krieg in der Ukraine: der Bau von Nord Stream 2 in der Ostsee.

Foto: reuters/nevar

Es sind ungemütliche Zeiten in Europa. Während Menschen in der Ukraine im russischen Kugelhagel oder als Folge von Raketentreffern sterben, geht im Westen die Angst vor einem Übergreifen des Krieges um. Auch in Österreich spüren die Menschen die Auswirkungen der von Putin befohlenen Aggression gegen den Nachbarstaat unmittelbar – über exorbitant hohe Preise für Öl und Gas.

Es könnten bald auch wieder Arbeitsplätze wackeln, nachdem sich die Wirtschaft erst vor kurzem vom Corona-Einbruch erholt hat. Jetzt sind es mittel- bis ganz große Industrieunternehmen mit hohem Gasbedarf, die um ihre Produktionsmöglichkeiten zittern.

Embargo-Drohung

Es war vor allem eine Aussage oder vielmehr Drohung, die ein hochrangiges Mitglied der russischen Regierung Montagabend getroffen hat. "Wir haben das volle Recht, eine ‚spiegelgleiche‘ Entscheidung zu treffen und ein Embargo auf die Durchleitung des Gases durch die Pipeline Nord Stream 1 zu erlassen, die heute maximal zu 100 Prozent ausgelastet ist." Das sind die Worte, die der russische Vizeregierungschef Alexander Nowak in einer am Montagabend im Staatsfernsehen ausgestrahlten Rede gesprochen hat. Gedacht war dies als Retourkutsche für die Pipeline Nord Stream 2. Diese Gaspipeline ist zwar seit Anfang September fertig gebaut, wurde aber nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine von Deutschland auf Eis gelegt. "Aber noch treffen wir diese Entscheidung nicht", fügte Nowak an. "Niemand gewinnt dabei."

Die Aussagen Nowaks, der früher auch Energieminister seines Landes war, werden im Westen sehr ernst genommen. Es ist das erste Mal seit Beginn des Krieges, dass von russischer Seite offen mit einem Gaslieferstopp durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 gedroht wird.

Gezielt gegen Deutschland

"Das ist gezielt gegen Deutschland gerichtet", sagte ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will, dem STANDARD. "Andernfalls hätte man auch Yamal (Gasleitung durch Belarus und Polen, Anm.) oder andere Pipelines nennen können."

Nord Stream 1 ist 2011 in Betrieb gegangen. Die Gasleitung verbindet Russland direkt mit Deutschland. Sie ist zudem die potenteste aller von Russland nach Europa führenden Leitungen. Durch sie können 55, mit mehr Druck sogar bis zu 60 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportiert werden.

Die Verbindung auf dem Grund der Ostsee ist von Russland gebaut worden, um Gas an der Ukraine und an Polen vorbei zu den Abnehmern in Deutschland zu bringen. Entsprechend groß waren die Einwände aus Kiew und Warschau gegen die Errichtung der so titulierten Umgehungspipeline.

Proteste und Abschreibungen

Heftige Proteste gab es denn auch, als es um die Verdoppelung des Leitungsstrangs, Nord Stream 2, ging. Letzterer ist von OMV als einer von fünf Konsortialpartnern mitfinanziert worden; die dafür geflossenen 729 Millionen Euro plus Zinszahlungen muss Österreichs größter Industriekonzern nun abschreiben.

Ganz andere Sorgen plagen andere österreichische Unternehmen. "Wie geht es weiter, wenn kein Gas mehr aus Russland kommt und so rasch auch kein Ersatz gefunden wird?", fragen sich viele. Die allermeisten haben Krisenteams eingerichtet, die verschiedenste Szenarien durchspielen. Während Haushalte als besonders schützenswerte Gruppe als letzte zum Handkuss kämen, müssen Industrieunternehmen in letzter Konsequenz damit rechnen, dass ihnen per Verordnung des Klimaschutzministeriums die Gaszufuhr gekappt wird – damit das Gas aus Speichern und anderen Quellen möglichst lange für die Haushalte reicht.

Produktion einstellen

Bei der Voest in Linz, die viel Gas braucht, hat man Krisenpläne in der Schublade, möchte sie aber nicht kommunizieren. Auch andere börsennotierte Unternehmen berufen sich darauf, dass diese Art von Information kapitalmarktrelevant sei und deshalb zurückgehalten werde.

Diese Einschränkungen hat Thomas Salzer, Papierindustrieller und Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich, nicht. "Sollte das Gas abgedreht werden, gibt es für uns keine Alternative momentan. Wir müssten die Produktion einstellen und auf ein Kurzarbeitsmodell hoffen, damit wir die Mitarbeiter nicht abbauen müssen." (Günther Strobl, 8.3.2022)