Um eine Falle für einen "Sugardaddy" geht es bei einem Raubprozess im Landesgericht für Strafsachen Wien.

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Wien – Der Abend des 6. September verlief für einen 51-jährigen Wiener Zahnarzt deutlich anders als erhofft. Statt eines Tête-à-têtes mit einer weiblichen Internetbekanntschaft sah er sich im Badezimmer eines Appartementhotels plötzlich einem jungen Mann mit Teleskopschlagstock gegenüber, der sein Geld und Mobiltelefon forderte. Der Arzt hätte den Raubüberfall nicht einmal angezeigt, Hotelmitarbeiter, die einen "Vermummten" auf der Videoüberwachung sahen, alarmierten die Polizei.

Nathalie, heute 19 Jahre alt, ist nun alleine vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Andreas Hautz. Ihr Komplize hat sich in der Untersuchungshaft nämlich mit Covid-19 infiziert, sein Verfahren wird daher ausgeschieden. Die Angeklagte, die bei der Polizei noch vollinhaltlich geständig gewesen ist, bekennt sich nun teilschuldig zum Vorwurf der Beitragstäterschaft am Raub und des Betrugs – sie hatte vom Opfer nämlich 800 Euro kassiert und dafür Oralsex versprochen.

Probleme mit Mutter

"Ich hatte wirklich schwere Probleme mit meiner Mutter", erzählt die Unbescholtene dem Gericht. "Sie hat die Familienbeihilfe einbehalten, die mir zusteht. Ich habe bei meiner Oma gewohnt, wollte sie aber nicht mehr anbetteln. So bin ich auf die Idee gekommen, mich ..." – die Angeklagte zögert kurz – "... zu prostituieren." Auf Tiktok habe sie sich über "Sugardaddys" erkundigt, also ältere Männer, die junge Frauen finanziell unterstützen und dafür Sex wollen. "Kennen Sie das Wort?", fragt die Angeklagte den Senat, alle nicken.

Auf einer Dating-App lernte sie den Zahnarzt kennen, der versprach, ein persönliches Treffen würde sich für sie "finanziell lohnen". Julian, seit sechs Jahren ein Bekannter der Angeklagten, bekam die Anbahnung mit. "Er hat gefragt, was das soll, und dann gesagt, dass man auch was anderes machen könnte." Dem Zahnarzt eine Falle zu stellen und ihn auszurauben nämlich. Die Angestellte will nicht mehr genau wissen, wie sie reagiert hat, ihre Erinnerungslücken führt sie darauf zurück, dass sie "in der Zeit ein bisschen viel Alkohol getrunken habe".

Vagen Plan im Bus besprochen

Auch am Tattag will sie eine halbe Flasche Whiskey intus gehabt haben, was Vorsitzender Hautz nicht recht glauben mag. Am Tattag fuhr das Duo mit dem Bus zum Hotel, genauen Tatplan will Nathalie keinen geschmiedet haben. "Julian hat nur gesagt, ich soll ihn anrufen und ihm die Tür aufmachen", sagt die Angeklagte. Ob und welche Waffe er einsetzen würde, habe sie nicht gewusst. "Er hat vorher nur gesagt, er kümmert sich drum. Ich dachte, er hat eine Softgun."

Gegen 21 Uhr erschien der Zahnarzt und ging mit der Angeklagten in das Zimmer. "Wir haben Smalltalk gemacht, ich habe gesagt, dass ich meine Periode habe", erinnert die Angeklagte sich. 1.000 Euro habe sie vom Opfer für Oralverkehr gefordert, der gab ihr zunächst 800 Euro, ehe er duschen ging. Bei der Polizei sagte der Zahnarzt übrigens, die 800 Euro habe er Nathalie "zum Einkaufen" gegeben, von Triebbefriedigung erzählte er nichts.

Angeklagte will überrumpelt worden sein

Während das Opfer also im Badezimmer war, schrieb die Angeklagte ihrem Bekannten, in welchem Appartement sie sei. und machte die Tür auf. Eigentlich wollte sie das gar nicht, beteuert sie nun vor Gericht. "Ich habe die Tür gar nicht richtig aufgemacht, er hat mich zur Seite gedrückt", behauptet sie. "Es war einfach viel zu viel. Es war wie ein Schock", sagt sie auch. Sie habe nur noch "weg" wollen; nach dem Überfall, bei dem sie erstmals den Schlagstock wahrgenommen haben will, sei sie mit Julian weggerannt.

"Wenn Sie das nicht mehr machen wollten – wieso sind Sie nicht einfach gegangen?", stellt Beisitzerin Alexandra Skrdla eine naheliegende Frage. "Stattdessen haben Sie ja noch eine Nachricht geschrieben und ihm die Tür aufgemacht", hält Skrdla der Angeklagten vor. Die kann keine wirkliche Antwort geben.

Nathalie beteuert dafür, sie habe nur 500 bis 1.000 Euro erbeuten wollen, um Schulden zu begleichen. "Und wenn das Opfer 3.000 Euro mitgehabt hätte? Hätte der Erstangeklagte dann gesagt: 'Geben Sie mir 500 bis 1.000 Euro', oder doch 'Geben Sie mir Ihr ganzes Geld'?", wirft der Vorsitzende da ein. Die Angeklagte muss zustimmen, dass Letzteres plausibler ist.

Sie erzählt auch noch, dass sie mit der Beute von insgesamt 2.400 Euro 200 Euro Schulden bei einer Freundin bezahlen wollte, außerdem habe sie "unabsichtlich meine Kreditkarte benutzt", was weitere 149 Euro Minus brachte. "Ich habe mir auch ein Tattoo machen lassen und habe Geld für Zigaretten und Lebensmittel gebraucht", führt sie aus. "Was wäre mit Arbeiten gewesen?", fragt Hautz. "Ich habe viele Absagen bekommen, das hat mich etwas aus der Bahn geworfen", entschuldigt die Angeklagte sich.

Verwunderter Schöffe

"Ist es nicht ungewöhnlich, wenn Ihr Bekannter statt Prostitution einen Raubüberfall vorschlägt?", wundert ein Schöffe sich. "Nein, eigentlich nicht", lautet die etwas überraschende Antwort. "Es war schon so komisch, darüber zu sprechen, dass ich mich prostituieren will", begründet Nathalie, warum der Raubvorschlag sie nicht überraschte.

Hautz kommt zu dem Schluss, dass er ohne Julian keine Entscheidung fällen kann, und vertagt den Prozess auf den 24. März. (Michael Möseneder, 9.3.2022)