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Die deutschen Verfassungsschützer nehmen die AfD unter die Lupe.

Foto: REUTERS/Thilo Schmuelgen

Ganz hat Tino Chrupalla noch nicht aufgegeben. "Wir werden jetzt die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und diese sorgsam prüfen und dann entscheiden, ob wir weitere Rechtsmittel einlegen werden", erklärte der AfD-Chef nach dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts. Doch er räumte auch ein: "Uns hat das Urteil überrascht." Das Gericht hatte am Dienstag entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Alternative für Deutschland (AfD) als sogenannten Verdachtsfall einstufen darf.

Das bedeutet: Die deutschen Verfassungsschützer dürfen geheimdienstliche Mittel zur Beobachtung der Partei anwenden – etwa Telefone abhören, E-Mails mitlesen und auch V-Leute einsetzen.

Weicht vom Grundgesetz ab

Der Verfassungsschutz hatte dies schon länger vor, doch die AfD hatte sich gegen diese Entscheidung gewehrt. Weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Hauptsitz in Köln hat, war dort das Verwaltungsgericht zuständig. Und dieses erklärte nach zehnstündiger Verhandlung, es gebe "ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei". Sie trete dafür ein, "das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand" zu erhalten und "Fremde" möglichst auszuschließen. Dies aber weiche vom Volksbegriff des Grundgesetzes ab. Es gebe Verlautbarungen, in denen "Umvolkungs"- und "Volkstod"-Vorwürfe erhoben würden. Ferner sei eine ausländerfeindliche Agitation zu erkennen ("Messer-Migranten").

Dementsprechend zufrieden zeigte sich am Mittwoch der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang: "Es ist notwendig, dass der wehrhafte Staat auf diese Partei reagiert. Die Partei steht für Rassismus, die Partei steht für Ausgrenzung von Minderheiten, die Partei steht für Verächtlichmachung unseres gesamten Systems."

Er erwartet, dass es nun auch für die AfD-Anhängerschaft schwieriger wird. So könne es in einzelnen Fällen Prüfungen geben, ob eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst möglich sei.

Schwerer Schlag

Für die AfD ist das Urteil ein schwerer Schlag. Sie hatte im Prozess argumentiert, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz praktisch einem Parteiverbot gleichkomme. Jetzt muss die 2013 gegründete Partei fürchten, dass sich Anhänger und Anhängerinnen abwenden – vor allem jene "bürgerlichen", um die die Rechtspopulisten so gerne buhlen.

Schon seit einiger Zeit läuft es für die AfD nicht gut. Bei der Wahl 2017 war sie noch mit 12,4 Prozent in den Bundestag eingezogen und aus dem Stand Oppositionsführerin geworden. Vier Jahre später waren es nur noch 10,3 Prozent. Die Partei hatte es vor der Bundestagswahl 2021 nicht geschafft, die Menschen mit ihrer Corona-Politik zu überzeugen. Frontalopposition lautete diese, immer wieder forderte die AfD deutlich lockerere Maßnahmen als die von der Regierung beschlossenen. Das war nicht nach dem Geschmack vieler in der älteren Anhängerschaft.

Ihr wichtigstes Thema – die hohe Anzahl von Geflüchteten – ist der AfD auch abhandengekommen. Derzeit spricht sogar sie sich für die Aufnahme von Menschen aus der Ukraine aus. Doch ihre Nähe zu Russland sorgt im Moment auch nicht für einen Zuwachs an Sympathie.

Zu viele Streitereien

Zudem fiel die AfD in den vergangenen Jahren hauptsächlich durch parteiinternen Streit – bis hin zur Spitze – auf. Es bekämpften sich der radikale Flügel und der vergleichsweise gemäßigte Teil rund um Co-Parteichef Jörg Meuthen. Dieser war Ende Jänner nach sieben Jahren als Parteichef zurückgetreten – mit dem Verweis, Teile der AfD stünden "nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung". Seither führt Chrupalla, sein bisheriger Co-Chef, die AfD alleine.

Er steht, zusammen mit Alice Weidel, auch an der Spitze der Fraktion. Als der Bundestag vor zehn Tagen zu einer Sondersitzung bezüglich des russischen Angriffs auf die Ukraine zusammenkam, standen die Parlamentarier der anderen Fraktionen auf, um den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, mit Applaus willkommen zu heißen. Die AfD-Fraktion blieb demonstrativ sitzen. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.3.2022)