
Als Berufssoldat des heimischen Bundesheers ist Ahmet auf Haltung und Disziplin geschult. Er ist zwar als Sanitäter für die medizinische Versorgung zuständig, aber Fitness und entsprechend hartes Training sind beim Militär unerlässlich. Da er nebenbei auch als Boxer in den Ring steigt, ist Ahmet in Jannis Lenz’ dokumentarischem Porträt oft dabei zu sehen, wie er sich in Turnhallen schindet und quält. Eine eigene Choreografie rhythmisierter Körperbilder entsteht dabei, die durch die perkussionsintensive, auf der Diagonale bereits ausgezeichnete Musik von Benedikt Palier noch weiter akzentuiert wird.
Doch Soldat Ahmet ist weniger ein Film über Drill und Pflichtgefühl als wie sein Protagonist gewissermaßen gattungssprengend. In Ahmet schlummern nämlich mehrere Seelen, die mit dem betont viril ausgerichteten Männlichkeitsbild beim Militär nicht so leicht zusammengehen. Einen Eindruck davon liefert vor allem seine Liebe zum Schauspielen, dem er sich gerade mit der Rolle des muskelbepackten Stanley in Endstation Sehnsucht anzunähern versucht, eines Manns, mit dem er viel gemeinsam hat. Nicht jedoch das Weinen: Ahmet würde das zwar auch gerne können, aber eine innere Blockade hindert ihn an solchen emotionalen Ausschüttungen.
Dies ist nicht das einzige Hindernis in Jannis Lenz’ höchst sehenswertem Debüt. Als junger türkischstämmiger Mann muss sich Ahmet auch an anderen Fronten, bedingt durch die traditionellen Familienauffassungen seines Vaters oder einen nie ganz einzuebnenden Außenseiterstatus beim Heer, bewähren. Für die Schwermut, die ihn in manchen Momenten zu umgeben scheint, hat der Film die richtige Sensibilität. Und wenn Ahmet mit einem Kollegen beim Militär seine Dialoge übt, zeigt er auch auf, dass alle Unterschiede lebbar sind. (Dominik Kamalzadeh, 10.3.2022)