Es ist ein gewaltiger Bauchfleck der Politik: Die mit viel Getöse eingeführte Impfpflicht wird erst einmal ausgesetzt. Und das an jenem Tag, an dem ein absoluter Rekordwert an Neuinfektionen verbucht wird: fast 50.000, das ist eine Kleinstadt. Die Pandemie ist jetzt für alle greifbar geworden, entweder ist man selbst betroffen oder umgeben von Menschen, die gerade infiziert oder erkrankt sind.

Und die Politik macht Party. Keine Kontrollen mehr, Masken runter, pfeif drauf. Das ist vollkommen absurd.

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Die eingeführte Impfpflicht wird erst einmal ausgesetzt.
Foto: dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Und dennoch ist es gerechtfertigt, die Impfpflicht vorerst einmal auszusetzen. Sie scheint derzeit nicht das geeignete Mittel zu sein, die Pandemie einzudämmen. Die Impfung dürfte in vielen Fällen vor schweren Verläufen schützen, nicht aber vor einer Ansteckung. Im Idealfall gibt es gar keine Symptome oder nur einen leichten Verlauf. Aber es gibt auch Ungeimpfte, die sich infizieren und das nicht einmal merken. Und es gibt das Gegenteil davon: dreifach Geimpfte, die sich anstecken und sterben.

Die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission hält die Impfpflicht für nicht erforderlich und nicht angemessen. Dafür gebe es rechtliche und medizinische Gründe, letztlich ist es eine Abwägung. Prinzipiell sei die Impfpflicht sinnvoll, um eine hohe Durchimpfungsrate zu erreichen, aber auch die Experten sehen den massiven Eingriff in die Grundrechte.

Es ist sinnvoll, Fehler, die begangen wurden, einzugestehen und sie zu korrigieren. Die Einführung der Impfpflicht war ein solcher Fehler, einer von vielen, die in der Bekämpfung der Pandemie begangen wurden. Die Schuldigen in diesem Fall sind leicht zu benennen: die Landeshauptleute. Sie waren nach dem Abflug von Sebastian Kurz derart in Euphorie über ihren zurückgewonnenen Handlungsspielraum, dass sie gleich einmal deutlich über die Stränge schlugen.

Widerstand

Bei dem Treffen am Tiroler Achensee verhängten sie gegen den ausdrücklichen Willen des Kanzlers – der hieß zu dieser Stunde Alexander Schallenberg – einen Lockdown und beschlossen gleich dazu gegen den Willen des Gesundheitsministers die Impfpflicht. Der hieß damals Wolfgang Mückstein und wurde gar nicht erst gefragt; er verspätete sich, weil er sein Elektroauto laden musste.

Mutig waren diese Entscheidungen, ob sie auch sinnvoll waren, wurde damals kaum hinterfragt. Der Mut verließ die Landeshauptleute rasch wieder, sie rückten von der Impfpflicht ab, der Widerstand in der Bevölkerung (ohnedies nur bei einem kleinen Teil davon) war doch unangenehm. Schließlich verhielten sich die Landeshauptleute so, als hätten sie gar nichts damit zu tun, und hängten die unangenehme Causa dem Gesundheitsminister um. Der heißt mittlerweile Johannes Rauch und ist seinerseits froh darüber, sich auf eine Kommission ausreden zu können.

Die Bevölkerung bekommt vielleicht nicht jede einzelne dieser Bewegungen mit, nimmt aber recht deutlich den Dilettantismus wahr, mit dem sie regiert wird. Das schädigt nachhaltig das Vertrauen in die Politik.

Die Impfpflicht in dieser Form einzuführen war ein Fehler, die Umstände waren lachhaft. Die Landeschefs sollten sich entschuldigen, einer nach dem anderen, die eine Landeschefin auch. Jetzt gilt es, andere Fehler zu vermeiden. Es gibt Maßnahmen, die wesentlich einfacher und effizienter sind – das konsequente Tragen von Masken etwa, aber hoppla ... (Michael Völker, 9.3.2022)